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Burkhart Rüchel

Versuchsstelle WEST: Raketen-Prüfstände ↓, Versuchsstand für Schallwaffen

Spurensuche, November 2014

(Mauszeiger auf Bild zeigt Bildtitel)

homepage Museum Kummersdorf

Einführung:
© Burkhart RüchelDas erste Mal kam ich im September 2007 auf das Areal ehemaliger Artillerie Schiessplatz Kummersdorf. Bei der Stauffenberg-Verfilmung (von und mit Tom Cruise) war ich erst Komparse (Funker und Fernmelder in der "Wolfsschanze", in den märkischen Sand bei Königs-Wusterhausen nachgebaut), dann Kraftfahrer in Uniform eines der historischen LKWs. Es gab ein kleines Treffen historischer Militärfahrzeuge mit Führung über das Gelände der Heeresversuchsanstalt Kummersdorf (mehr Bilder: bitte Bild anklicken). Ich hatte mir von einem Freund dessen lila Ural-Russengespann ausgeliehen und fuhr am Ende des Konvois um die Fotostrecke nicht zu verderben. Leider ging die Führung mächtig "im Schweinsgalopp", meist war die Gruppe schon am Weiterfahren wenn ich als letzter bei den einzelnen Objekten eintraf, bekam so leider nur sehr wenig von der Führung mit.

Inzwischen besuchte ich Kummersdorf mehrfach und habe eine große Anzahl von Fotos zusammen getragen (natürlich hätte man gleich nach dem Abzug der Russen das riesige Gelände erkunden und dokumentieren sollen). Eine umfangreiche Bildauswahl meiner anderen Exkursionen findet man hier:

Heeresversuchsanstalt Kummersdorf, Artillerie Schiessplatz, Eisenbahnpioniere Schumkasee u. Flugplatz Sperenberg
Versuchsstelle für Kraftfahrt, kurz: Verskraft
Schiessbahn West
Versuchsstelle Gottow und Atomforschung in Gottow

Obwohl mehrere Gebäude und Anlagen unter Denkmalschutz stehen sieht man sehr häufig beabsichtigte, zielgerichtete Zerstörungen. So sind etwa Dächer zwecks Eindringen von Regen und Frost zerstört sowie vieles durch Diebstahl, Brandstiftung und Vandalismus vernichtet worden. Daß der Eigentümer irgend etwas zum Erhalt getan hat merkt man nicht. Offensichtlich will man sich - trotz vollmundiger Lippenbekenntnisse - einmal wieder Teile ungeliebter deutscher Geschichte entledigen. Dagegen kommt weder Wachschutz, Denkmalschutz noch Museumsverein an...

Mittlerweile nehme ich GPS-Daten was mich in die Lage versetzt Objekte auch wieder zu finden. Ein Laser-Entfernungsmesser ist nun ebenfalls meist im Gepäck - somit ist vieles leichter zu vermessen, auch Grundrisse lassen sich so anfertigen.
Die Funktion der noch vorhandenen Gebäude und Anlagen ist nicht immer eindeutig zu bestimmen. Kleine Hilfen gibt es anhand der Bücher von Wolfgang Fleischer: "Heeresversuchsstelle Kummersdorf - Augenzeugenberichte, Fotografien, Akten 1874-1945" und "Heeresversuchsstelle Kummersdorf - Maus, Tiger, Panther, Luchs, Raketen und andere Waffen der Wehrmacht bei der Erprobung" (Verlag Dörfler Zeitgeschichte). Leider sind die Lageskizzen mit der Benennung der einzelnen Objekte in so schlechter Qualität daß sie nahezu unbrauchbar sind.

Die Nutzung der in verschiedenen Nutzungsabschnitten angelegten Teilbereiche, Anlagen und Gebäude wechselte im Verlauf der bis zu 140jährigen Geschichte und es ist schwierig jedem Objekt seine jeweiligen Verwendungen zuzuordnen. Auch gehen die einzelnen Teilareale ineinander über. So ist zum Beispiel der Flugplatz Sperenberg auf dem nördlichsten Teil des Artillerieschießplatzes angelegt worden.

Anregungen, Fehlerberichtigung, weitere Infos usw. nehme ich gerne entgegen: Kontakt

* * *


zur Geschichte des Militärstandortes Kummersdorf Gut:

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 entstand ab 1874 in einem Staatsforst bei Kummersdorf ein moderner Artillerieschießplatz. Der ursprüngliche Schießplatz der Artillerieprüfungskommission in Berlin Tegel (auf dem Gelände befindet sich heute der Flughafen Tegel; im nahen Spandau befanden sich Rüstungsbetriebe, Laboratorien und Munitionsanstalten) entsprach nicht mehr den Anforderungen moderner Waffen mit gestiegenen Reichweiten und war damit einfach zu klein, befand sich zu dicht bei Berlin und auch Geheimhaltungsgründe spielten bei der Verlegung eine Rolle.
1874/75 wurde die Königliche Militär Eisenbahn (K.M.E.) zwischen dem Militärbahnhof Schöneberg und Kummersdorf errichtet, die Strecke 1897 bis nach Jüterbog verlängert. Zunächst nutzte ausschießlich das Militär diese dem Militärfiskus gehörende Bahnlinie, die Verwaltung erfolgte durch die Königliche Direction der Militäreisenbahn.
In der Folge wurden in Kummersdorf Waffen, Geschütze, Munition und Ausrüstung erprobt, das Militär-Eisenbahnwesen und die Heeresmotorisierung entwickelt. Nach dem Ersten Weltkrieg wandelte sich das Gelände zu einem modernen Technologiezentrum mit den verschiedensten Aufgaben-Bereichen: Waffen- und Munitionserprobung, Chemische Forschung, Raketentechnik, Nuklear-Forschung, Logistik, Transport- und Kraftfahrwesen uvm. So ist u.a. alles was an deutscher Panzertechnik entwickelt wurde in Kummersdorf getestet worden.
Zum Ende des Zweiten Weltkrieges war auch Kummersdorf Schauplatz heftiger Kämpfe (nicht weit hiervon entfernt befand sich das Oberkommando der Wehrmacht - in Wünsdorf bei Zossen). Die ausbrechenden Truppen und Flüchtlinge aus dem Kessel von Halbe wurden in diese Ereignisse verwickelt, am Ende gab es ungefähr 2.ooo Tote in und um Kummersdorf die dann in Massengräbern beigesetzt wurden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verbrachte man technischen Anlagen, ehemalige Mitarbeiter und die Hochtechnologie als Kriegsbeute in die Sowjetunion, den Rest demontierte und verschrottete man. Auf dem Gelände wurden sowjetische Militäreinheiten stationiert, so z.B. die 64. motorisierte Brigade. Nach dem Abzug der Russen 1994 begann der Verfall der erhaltenen Anlagen und Gebäude.

* * *

Raketenprüfstände der Versuchsstelle WEST

Am südlichen Ende der früheren Schießbahn West errichtete man Anfang der 1930er Jahre die Versuchsstelle West. Hier wurden vorwiegend Raketentriebwerke entwickelt und erprobt. Wernher von Braun, Kurt Wahmke, Walter Dornberger, Walter Riedel und viele andere wirkten hier. Die Anlagen der Forschungsstelle West wurde nach Ende des Zweiten Weltkrieges demontiert und komplett zerstört, heute sind nur noch einige wenige Reste erhalten - doch an ihnen nagt der Zahn der Zeit...

Rampe, grob geschätzt 20 m lang, unbekannte Verwendung

         

Unbekannter Prüfstand:
Auf einem Hügel befinden sich Reste von 3 Betonbuchten, ihnen gegenüber standen Gebäude aus deren Trümmern Metallteile herausragen.
Auf der anderen Seite des Hügels befinden sich zwei durch einen Erdwall getrennte, rechteckige Senken.

           

unbekannter Prüfstand:

                   

unbekannte Anlage:

     

Fundstücke:

 

Fundamentreste, wahrscheinlich für einen großen Mast:

 

großer Raketen-Prüfstand:

© Burkhart Rüchel Zu diesem Prüfstand gehören Reste von umfangreichen Versorgungsanlagen. Neben den abgebildeten Gebäuderesten gibt es eine ringförmige Wallanlage, in dieser eine kleinere Wallanlage in der wohl die Triebwerke aufgestellt wurden. Diese Ring-Anlage ist noch recht gut zu erkennen, sie erinnert etwas an die Reste der Raketenabschuß-Anlagen in Peenemünde auf Usedom.

                             

diverse Fundstücke bei diesem Prüfstand:

       

Fundstück (ca. 0,8 - 1,0 m lang):

   

Großer Prüfstand R1 für Raketentriebwerke:

Bei Versuchen an Flüssigkeits-Raketentriebwerken verunglückten tödlich im März 1934 der Versuchsleiter des Heereswaffenamtes Dr. Kurt Wahmke, der Techniker Alvin Conrad sowie der Feuerwerker Friedrich W. Vollmeke. Bei der Explosion wurde ihr Prüfstand total zerstört.

                                                     

neben dem Großen Prüfstand R1 für Raketentriebwerke:

   

Reste von Baracken am Großen Prüfstand R1:

 

Fundstücke beim Großen Prüfstand R1 für Raketentriebwerke:

 

wahrscheinlich Neben-/Versorgungsanlage zu Großer Prüfstand R1 für Raketentriebwerke:

Die verschiedenen Prüfstände sind mit einem weiten Grabensystem miteinander verbunden. Diese Einrichtung hier ist vermutlich eine der Neben-Einrichtungen zum Großen Prüfstand R1.

         

Versorgungseinrichtungen zum Großen Prüfstand R1 für Raketentriebwerke (diverse Reste gegenüber dem Hauptzugang):

         

Kleiner Prüfstand für Flüssigkeits-Raketentriebwerke (errichtet 1932):

                           

Pulverraketenprüfstand (etwa in Ringform):

         

komplett zerstörter Prüfstand Nr. 4 für Raketen (ehemals bogenförmige Anlage)

An diesem Prüfstand wurden komplette A3-Raketen getestet. Hier befanden sich zwei 12 Meter hohe Montagetürme die mit einem Gleis verbunden waren. Dieses trug das Gestell mit der Rakete beim Brennversuch.

Die A3 war die weltweit erste flüssigkeitsgetriebene Großrakete mit einer Länge von knapp 7 Metern und einer Schubleistung von 15oo kp, angetrieben von Alkohol und flüssigem Sauerstoff. Der Erststart der Rakete erfolgte dann am 4. Dezember 1937 von der Insel Greifswalder Oie.

© Burkhart Rüchel © Burkhart Rüchel

                 

Prüfstand für Raketentriebwerke:

                                                         

Diese Anlage könnte ein Schießstand / eine Schießbahn von ganz grob geschätzten 100 m Länge gewesen sein:

     

Kleinbunker, vermutlich Teil einer Versorgungsanlage:

 

Diese jeweils 4 Beton-Fundamente könnten für die Füße von großen Masten bestimmt gewesen sein und befinden sich dicht an der Straße L70:

   

Beton-Fundamente, drei dicht beieinander liegend, könnten ebenfalls für Füße einses großen Mastes bestimmt gewesen sein:

     

diverse Fundstücke auf dem Gelände:

                       

Beton-Poller, diese findet man an mehreren Wegen der Forschungsstelle West. Der obere Teil ist achteckig. Möglicherweise markierten sie die Zufahrten zu den einzelnen Anlagen.

 

Wallanlage, eventuell ehemaliges Lager für Munition oder Gefahrgut. Die ganze Anlage ist mit einer rechteckigen Senke umgeben:

     

Versuchsstand, möglicherweise für Schall-Waffen

Man probierte mittels Schallbündelung Kräfte über Entfernungen zu übertragen. Solche Anlagen werden fälschlicherweise auch als Schallkanone bezeichnet, doch ist dieser Begriff irreführend da hierbei keine Projektile aus Rohren verschossen werden (siehe Definition Kanone/Geschütz).

Das markante Trümmerstück neben der Anlage ist betonvergossener Schutt aus Ziegeln und Betonbrocken, mit Einlage von Stahlträgern bzw. -teilen. Sicherlich russischen Ursprungs, ich vermute daß man zur Zeit der russischen Besetzung des Standortes die Zufahrten der einzelnen Objekte damit blockierte.

                       

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