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Mit dem Roller nach Jerusalem...

Mauszeiger auf Foto zeigt Bildtitel, Texte / Fotos Audios © Burkhart Rüchel

Seite 09 - Rumänien

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2010_07_14 - Mittwoch, Reisetag 094

Rumänien. Ich wähle den Weg Richtung Donau, an einen Fluss wird eine kleine Herde Kühe zum Tränken getrieben, eine Kuh wühlt in einem Müllhaufen. Der kleine Fluss der Richtung Donau fliesst ist mir zu flach und schmutzig zum Baden. Es folgt mal wieder ein ewig kilometerlanger Anstieg, Unmengen Fliegen stürzen sich auf mich und ich hole das Moskitonetz wieder hervor. Aus einem pompösen Grundstück stürzt sich ein Kampfhund, rennt mir hechelnd zähnefletschend geifernd hinterher, bedroht meine Waden, Brüllen hilft wie gewöhnlich nichts und mir bleibt nichts weiter übrig als ein paar Wackersteine aufzuklauben und ihn damit zu bombardieren - er lässt etwas von mir ab, vom Grundstück kommt ein Typ und hebt auch Steine auf - will der die nach mir schmeissen? Doch nein, er wirft ebenfalls nach dem Köter und ich kann ungefährdet weiter rollen...
Hinter Radimna campiere ich dann - gedeckt von einem Maisfeld etwas abseits der Strasse.

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Tag: 59 km, gesamt: 2647 km

2010_07_15 - Donnerstag, Reisetag 095

Der nächste Ort: Pojejena, dann Moldova Nova wo ich bei der brd-Bank 50 Eus wechsle, anschliessend im Penny-Markt etwas zu trinken kaufe. Mir fällt ein dass 50 Eus wohl etwas wenig sind für dieses grosse Land, bei der nächsten Bank - einer Raiffeisen-Bank - will ich nochmal 50 Eus tauschen. Als die verlangen dass ich nun meinen Ausweis zeigen soll weigere ich mich obwohl ich ihn zur Hand habe, meine dass ich den eben auch nicht zeigen brauchte, frage die Tante ob sie mich für einen kriminellen Deutschen hält. Na, egal, tausche ich eben woanders wenn die mein Geld nicht wollen, als ich mir das Erlebnis draussen notiere kommt die Frau raus und hält mir ein Formular unter die Nase - die Bestimmungen wären so!
Der Ort liegt nun bereits an der Donau, ich denke ich bade mal schnell, doch am Ende einer Gasse die sich buchstäblich zur Gosse wandelt vergeht mir das Bedürfnis, der Strom ist mir einfach zu dreckig, dass eine Kreuzotter drin schwimmt stört mich eher weniger.
Weiter gehts auf der 57 Richtung Orsova, auf einer Brache höre ich wiederholtes Fiepen, halte das erst für einen Vogel, doch als ich nachsehe ist das ein ganz frischer Welpe der von einer dichten Wolke Fliegen gepeinigt wird, jämmerlich fiepend durch die Gegend tapst. Ein Stück weiter wohl ein Geschwister - was spielen sich an der Strasse doch für kleine Dramen ab. Ob die ihre Mutter verloren haben, was nun aus ihnen wird?
Es folgen Industrie-Ruinen, der nächste Ort Coronini, auf den ersten Blick recht adrett. Doch bei näherem Hinsehen die übliche Vermüllung hinter jeder Ecke.
Die Donau ist hier eine grosse Seenkette, wahrscheinlich aufgestaut, dann ist sie von hohen Felswänden eingeschlossen, erinnert ein wenig an die Wachau in Östereich. Ein steinernes Becken fängt ein Bergwasser auf, eine Trauerweide überschattet das Ganze - ich spüle meine Wäsche hier: 5 shirts, 2 x Socken, 2 slips, 1 Hemd, 1 Geschirrtuch. Oberhalb des Wassers eine kleine Grotte, sicherlich einmal ein heiliger Ort gewesen dessen Bedeutung man vergessen hat. Die Strasse 57 links der Donau ist kaum befahren, insgesamt verweile ich hier 2,5 Stunden in der Mittagshitze bis die Wäsche getrocknet. Einige Rumänen halten an, füllen ihre Wasserflaschen aus dem Bach, dann habe ich auch keine Bedenken mehr und fülle ebenfalls meine Flasche.
Einige Kilometer weiter ist an der Strasse ein Restaurant, die Bedienung zickt vom ersten Moment an, ich schreibe hier weiter, trinke drei lauwarme Timisoreana-Bier - sie starrt die ganze Zeit wie gebannt auf die rumänische Variante von MTV, träumt sich wohl in eine andere Welt...
Etwas weiter mache ich eine Tonaufnahme / soundclip von einem Zikaden-Konzert.
Mich bewegt beim Durchfahren dieser Länder die ganze Zeit eine Frage: Warum zogen sie diese zweifelhafte Freiheit der Verwaltung Östereichs vor? Ging es ihnen wirklich so schlecht unter dem Dach der k.u.k.-Monarchie? Hier ist so vieles so abgewirtschaftet, so ruinös, hoffnungslos und trist - müssen diese Vöker nicht voll Neid auf das wohlhabende Östereich blicken? Ich glaube kaum dass mit der Auflösung der östereichischen k.u.k.-Monarchie diese Länder eine selbstständige Entwicklung, gerade in wirtschaftlicher Hinsicht durchgemacht haben, zu sehr waren sie auch nach dem ersten Weltkrieg Spielball der Grossmächte. Auch der sogenannte Sozialismus hat diesen Ländern nur Stagnation beschert - klar hat man auch hier riesenhafte Industrieprojekte aus dem Boden gestampft inclusive der tristen, billigen und bald maroden Plattenbau-Siedlungen, doch alles unter zentralistischer Verwaltung, wenig effektiv und oft am Bedarf vorbei. Kann mich gut an die desolate Lage in Rumänien Mitte der 1980er Jahre erinnern, es mangelte am Nötigsten, überall Verfall, Misswirtschaft, Korruption - dafür eine riesige Partei-Bürokratie und ein Sicherheitsapparat (Securitate) der bis in die kleinsten Lebensbereiche hinein wirkte. Ging es seit 1918 mit diesen Ländern nicht kontinuierlich bergab?
Der nächste Ort: Liubcova, direkt dahinter unweit der Strasse mein Nachtlager. Koche eine Nudelsuppe, dazu ein van-Dusen-Hörspiel, die Nacht verläuft ruhig und ungestört.

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Tag: 41 km, gesamt: 2688 km

2010_07_16 - Freitag, Reisetag 096

Fünf Kreuze am Strassenrand, datiert 1995 - so viele Kreuze und Denksteine habe ich auf meinem Weg bisher gesehen, zu viele - sicher hunderte auf bisher knapp 2700 km! Alle sind dem Abgott Verkehr geopfert - keiner mag verharren, alle bewegen sich wahnwitzig irgend wohin. Bin eh kein Freund von dieser ganzen sinnlosen modernen Völkerwanderei - so viele fliegen um den Globus auf der Suche nach dem ultimativen Urlaubsziel - und wechseln dabei doch nur Kulissen, tauschen fix nur ihre Umgebung aus, haben weder mit Land noch Leuten zu tun, wollen das gar nicht, liegen bloss faul an irgendeinem abgesperrten Strand vor einer Hotel-Betonfestung herum, fressen auf der ganzen Welt den gleichen deutschen Frass - und die einzigen Urlaubserinnerungen: wie billig oder teuer dies und jenes war, wie gut oder schlecht der Service - und gelegentlich eine sexuelle Eskapade...
Viel geangelt wird hier, auf dem knappen Platz zwischen Bergen und Donau campen viele Angler auf schmalsten Streifen Land, ein älteres Paar hat seinen Wohnwagen, Camping-Möbel und Sonnenschirm direkt an der Strasse, nach beiden Seiten ein Warndreieck aufgestellt. Die Donau ist überall so dreckig dass ich mir gerade mal die Hände wasche, nach Baden ist mir gar nicht - und das bei der Hitze. Schon Mitte der 1980er erlebte ich wie die Müllfahrzeuge ihre Fracht direkt in die Flüsse abkippten, daran hat sich anscheinend nicht viel geändert, scheint es kaum eine organisierte Müllabfuhr und -Entsorgung zu geben, zumindest auf dem Lande habe ich nichts dergleichen gesehen, überhaupt sind öffentliche Abfallbehälter absolut selten. Und was Kanalisation betrifft - daran will ich lieber nicht denken...
Hinter Barzasca ein Schild das auf eine ehemals ungarische Burg verweist - davon stehen noch zwei Mauern, inzwischen im Wasser: Cetatea Drencova, in Cozig die Industrie-Ruinen, dann der Blick zurück: Judetul Caras-Severin. Ein Restaurant ein paar Kilometer weiter lädt zur Einkehr, nehme erst einen Kaffee da ich jeden Mittag wenn ich irgendwo Halt mache mit starker Müdigkeit kämpfen muss (ohne Siesta wäre das Leben hier wenig lebenswert - Deutsche haben für solche Lebensart wenig Verständnis, kann mir die Reaktionen in etwa vorstellen wenn ich sowas mal beim brala-Aufbau vorschlüge...), dann ein Timisoreana-, anschliessend ein Ciucas-Bier. Die Tische werden gedeckt - es kommt ein Trupp Bauarbeiter, ich bekomme Appetit und ich lasse mir auch eine Gemüse-Reis-Suppe mit Fleischklössen bringen, die ist sehr lecker, sowas hat Freund Ingo auch schon oft in Berlin gekocht.
Irgendwann meldet sich der müde Akku und ich setze mich von der Veranda hinein in den Gastraum, stöpsle mich ans Stromnetz an. Ausser in Deutschland habe ich da nie Diskussionen führen müssen, ist das hier überall ganz normal dass man mal seine Akkus laden kann! Dummerweise läuft hier sehr laut via grossem Breit-/Flachbildschirm die rumänische Verblödungsvariante von Dauer-Werbung und irgendwelche Seifen-Opern inclusive Lach-Maschine, es dauert einen Moment dann habe ich das Ding leiser gemacht, kann den Zellstoff wieder aus den Ohren nehmen.
Übernachten kann man hier auch recht gut, als ich mal auf die To muss sehe ich im Vorbeigehen kurz in die Zimmer. Nur Internet gibts hier nicht, überhaupt nicht seit ich in Rumänien bin, die Gegend ist auch zu ländlich. Hoffentlich machen sich meine Leute keine unnützen Sorgen um mich!
Später machen die Mädels wieder lauter und schauen sich so eine soap an - komischerweise ohne eine Mine zu verziehen, die einzigen Lacher kommen aus der magischen Kiste von der Lachmaschine! Ich stecke also den Zellstoff wieder in die Ohren, schaffe es die ganzen Fotos der letzten Tage einzuarbeiten, die Tonaufnahmen müssen noch etwas warten - zu laut ist es hier. Überhaupt nimmt dieser Reise-Bericht schon lange zuviel Zeit und Arbeit in Anspruch, ziehe nun aber durch was ich einmal angefangen.

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Als ich abfahren will sehe ich einen Typen am Tachometer herumspielen - das zeigt dann auch sämtliche Zeichen die vorhanden sind an - alle auf einmal. Ich denke das wars jetzt damit! Den Ungläubigen die schon lange um den Roller herumstehen und rätseln muss ich wieder einmal die Rollermechanik vorspielen - nema Maschina, nema Pedales - only German Power!
Nach etwas Abkühlung mittels Fahrtwind nimmt der Bordcomputer wieder seinen Dienst auf. An der Strasse folgt bald ein grosser Rastplatz, niemand sitzt hier bei dieser Sonnenintensität - habe den Eindruck viele Rumänen leiden noch mehr unter der Hitze als ich, dabei sollten die das doch eher gewohnt sein. Die grosse Mauer an der Strasse ist nichts antikes sondern Befestigung gegen Steinschlag, die aus dem Wasser heraus ragenden Mauern stammen vom alten Kastell Trucule. Eine alte symphatisch aussehende Frau hütet zwei Kühe, strickt dabei - ich halte an und frage ob ich sie fotografienen dürfe, als sie das verneint ist das Foto längst unbemerkt aus der Hüfte heraus gemacht.
Im steinernen Becken einer Wasserstelle spühle ich meine lange Hose, die hat schon hässliche Salzflecken vom vielen Schwitzen, damit kann ich kaum noch unter Leute gehen. Ein Rumäne versucht seinen Hund zum Saufen zu bewegen, kniet fast bettelnd vor dem Tier das ihn ignoriert, dann hält ein altersschwacher LKW - Tonaufnahme / soundclip. Der blaue PKW ist ein rumänischer Dacia, davon gibt es noch recht viele - eine Renault-17-Lizenz wenn ich nicht irre, mein Onkel hatte vor vielen Jahren einen.
Die nächsten Kilometer rolle ich nur in langem Hemd und Unterhose, die paar Autos die in der Zeit vorbeifahren stören mich nicht, auch rennen die meisten Angler die den Strassenrand säumen so herum. Die Hose trocknet derweil zuoberst des Gepäckberges. Die Strasse ist - bis auf einige kleine Teilstrecken an denen noch gebaut wird - in recht ordentlichem Zustand, am Abend liegt die Strasse meist im Schatten der hohen Felsen.
Vor Dubova ist eine grosse Wiese zum wilden Campieren ausgewiesen, da steht schon ein einzelnes Zelt, weiter nichts. Bald darauf steht auch meines.

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2010_07_17 - Samstag, Reisetag 097

Am Morgen treffe ich den Taxi-Fahrer Mircea der mit seiner Frau Emilia und Tochter Iris auf der Wiese campiert, sie machen eine Bergwandertour, haben mich gestern im Vorbeifahren schon rollern sehen, laden mich zum Kaffee ein und wir unterhalten uns eine Weile. Dubova ist nicht weit, es gibt einen kleinen Laden in dem ich mich fürs Wochenende eindecken kann, ich erst einmal ordentlich esse. Gestern gabs nämlich an der Strecke keine Einkaufsmöglichkeit mehr und es gab zum Abendbrot nur einen Apfel. Es donnern acht schwere Motorräder heran, einer steigt ab und entsorgt seinen Müll ordentlich in die Tonne, ich frage den schwer gepanzerten und behelmten modernen Ritter woher sie kommen: aus der Tschechei, als ich versuche mich mit ihm zu unterhalten, ihm begreiflich mache dass ich mit einem Roller aus seiner Heimat unterwegs bin stosse ich auf ablehnendes Desinteresse, der Mann steigt wieder auf seine Maschine und alle acht brausen dröhnend von hinnen...
Meine lange Hose ist nun endlich trocken und ich muss leider feststellen dass mir mein Gürtel abhanden gekommen. Das hat man selbst davon wenn alles grün ist - findet man selbst manches im Gras nicht mehr wieder. Ein Spanngummi ersetzt ihn erst einmal, besonders chic ist das nicht, aber was soll ich machen...
Direkt an der Strasse ein kleines Kloster, wie sich herausstellt spricht Vater Cristian ein sehr gutes Deutsch und wir reden eine Zeit lang. Das orthodoxe Kloster Maraconia ist ein Neubau, das alte Kloster wurde unter Nikolae Ceaucescu 1967 komplett zerstört. Es besteht eine Partnerschaft zu einer Gemeinde bei Regensburg.

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Bis Orsova (auf die Sonderzeichen verzichte ich vorerst wieder - manche Vokale haben ein umgekehrtes Dach über sich, einige Konsonanten ein Kringel unter sich - bei Orsova unter dem "s" ein Kringel wird wie ein weiches "sch" gesprochen) sind es noch etwa 20 Kilometer, es gibt hier grosse Wassergrundstücke, einige neureiche Rumänen haben hier ihre Anwesen, es gibt viele Restaurants, Hotels und Pensionen, grosse PKWs, Quads und Boote möchten bewundert werden. Auch hier fröhnen die Leute den diversen geistlosen Freizeitbeschäftigungen - mit schnellen Booten oder Autos sinnlos durch die Gegend düsen! Die Rumänen sind grösstenteils Sportmuffel, tragen selbst recht junge Männer bereits recht eindrucksvolle Wampen mit sich herum. Wenn ich mit den Leuten darauf zu sprechen komme sage ich immer: am Gasgriff drehen oder aufs Pedal treten kann jeder Idiot, dazu gehört nicht viel. Mir wäre das absolut zu langweilig! Selbst das Reiten dem ich einmal eine Weile fröhnte war ziemlich sinnloses durch die Gegend zotteln - als Fortbewegungsart wäre das etwas ganz anderes - so bleibt es sinnlose Freizeitbeschäftigung, die kann man auch besser ausfüllen.
Es herrscht rege Bautätigkeit, in Eselnita (unter "s" und "t" ein Kringel - wird wie weiches "sch" und "tz" ausgesprochen) fotografiere ich so eine Baustelle - da ertönt gleich grosses Geschrei das mich nicht bekümmert, doch als ich auf dem Gelände zwei alte Kanonen stehen sehe mache ich kehrt, rolle durch das grosse Tor auf das Grundstück und schere mich wenig um die Rufe der Leute, halte erst direkt bei den Geschützen und erkläre dem zuerst ankommenden dass ich die fotografieren will. Das will der nicht zulassen, ich frage ob die "top secret" seien, er wiederholt dauernd dass das hier Privatbesitz ist usw. Ich erzähle dem dass ich schon sehr viele alte Kanonen fotografierte ohne Probleme bekommen zu haben, darauf meint er er müsse erst seinen Boss fragen. Dann kommt auch so ein tätowierter Typ an - mit dem verstehe ich mich auf Anhieb prima, es gibt keinerlei Probleme mehr und der kleine Aufpasser dackelt ab, ich erzähle dem "boss" von meinem Interesse an solch Alteisen, von meiner tour - und schon wird jemand angewiesen mir ein Bier zu bringen. Kurz darauf werde ich zu Grillfleisch eingeladen, es bleibt nicht bei dem einen Bier, ich unterhalte mich dann mit zwei tätowierten Typen - einer meint er wäre Lehrer, der andre im Baugeschäft. Ich werde wieder einmal gefragt ob ich eine Pistole dabei hätte - auf meine Frage was wohl der Zoll zu sowas sagen würde lachen sie nur, dann frage ich den "Lehrer" ob er eine Knarre hätte - er winkt mir, wir gehen zu seinem Wagen, im Kofferraum hat er etwas in einer Plastik-Tüte das dumpf auf dem Wagenboden aufschlägt, ich bekomme aber nichts wirklich zu sehen so schnell macht er nur kurz die Tüte auf und wieder zu.
Na, ich muss eine ganze Menge essen, alle Versuche etwas abzuwehren scheitern, einmal wieder richtiges Fleisch ist schon gut - aber gleich so viel? Dann gibt es frische gekühlte Melone und Espresso, wir machen noch zusammen ein Gruppenfoto - und dann heisst es für mich wieder einmal Abschied nehmen. Ob ich es hier mit der lokalen "La Familia" zu tun hatte?
Die Landschaft hier ist einfach herrlich, die Donau fliesst zwichen bizarren Felswänden dahin. Es gibt noch einmal einen langen Anstieg von 8 %, dann eine lange Abfahrt mit 11 % - so rolle ich in Orsova ein. Am Ortseingang hinter einem kleinen Obst- und Gemüsemarkt der graue Betonbau der katholischen Kirche. Wenig anziehend solche modernen Kirchen - ob solche Bauten die Menschen zu neuem Glauben inspirieren?

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Zum Kloster der Heiligen Ana ist es nicht mehr weit - aber hoch und sehr steil, oft muss ich verschnaufen, sind immerhin noch etwa 40 Grad Celsius. Eine Station der geografischen Falkultät der Universität Bukarest ist hier am Berg. Oben das orthodoxe Kloster eine sehr hübsche Anlage auf dem Berg Mosul, mit Aussicht auf die grosse Cerna-Bucht, die Stadt und einen Teil des Staussees Eisernes Tor 1. Das Kloster wurde von dem Journalisten Pamfil Seicaru (1894-1980) errichtet - zur Erinnerung seiner in den Schlachten von Alion, Cerna und Orschova gefallenen Kameraden (August / November 1916), zum Gedenken aller Helden die im Kampf für ein Gross-Rumänien zwischen 1916 und 1918 gefallen sind.
Kirche und Klosterzellen wurden in Blockbauweise aus Holz in der Zeit von 1936-39 errichtet - jedoch erst am 2. Dezember 1990 geweiht, der 2. Weltkrieg und die gottesleugnerische Regierung Rumäniens danach sind der Grund dafür. Das Kloster wird heute von Nonnen bewohnt.
Das Kloster wird wie üblich von Touristenscharen heimgesucht - ein krasser Gegensatz allein die leicht bekleideten jungen Leute mit ihren einfaltslosen Tattoos und die schwarz gekeideten Nonnen.
Bei Mutter Oberin Justina stelle ich mich vor, bekomme ein Zimmer für die Nacht, ich lerne Mutter Ambrosia und Mutter Onufria - Zwillingsschwestern im gleichen Jahr wie ich geboren kennen, abends machen wir mit einer zu Besuch weilenden rumänische Gemeinde aus Ungarn mit ihrem Bischof eine Dampferfahrt bis zum Kloster Maraconia, ich unterhalte mich meist auf englisch mit Schwester Dumitita und Mutter Cipriana. Auf dem serbischen Ufer - gegenüber Kloster Maraconia und dem in den Fels gemeisselten Kopf des Daker-Königs Decebalos: Decebalos Rex, Dragan Fecit - ist ein kleines Monument dass an die Übersetzung der römischen Truppen unter Kaiser Trajan erinnert (die Daker sind - ebenfalls wie die anderen Völker an Donau bzw. linksseitig des Rheins - ebenfalls von den Römern unterworfen worden, das Land wurde Provinz des römischen Imperiums). Die Temperatur ist auf dem Wasser erträglicher, bald senkt sich die Dämmerung über das abendliche Panorama, die Berge verschwimmen im Blau...
Zur Messe rufen nicht die Glocken sondern es wird mit kleinen Holzklöppeln auf ein Brett getrommelt: Tonaufnahme / soundclip. Die Nonnen des Klosters sind aufgeschlossen, fröhlich und gar nicht weltfremd - fahren souverän Auto (diese Musik kommt aus dem Auto-Radio: Tonaufnahme / soundclip), haben PC und Internet, dabei von einer stillen, zurückhaltenden Herzensgüte! Ihre Gegenwart ist sehr angenehm und entspannt, schade dass wir uns nicht genug verständigen können in der kurzen Zeit.
Mächtig müde bin ich nach diesem eindrucksreichen Tag, ich bekomme noch zwei Liter frischer Ziegenmilch und ziehe mich bald auf mein Zimmer zurück, kann leider die ganze Nacht kaum schlafen.

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gesamt: 2778 km

2010_07_18 - Sonntag, Reisetag 098

Der Rest Ziegenmilch ist natürlich heute sauer! Und schmeckt umso besser, weiss gar nicht wann ich das letzte Mal Sauermilch getrunken habe - die Industrie-Milch heutzutage ist doch absolut tot, die verfault höchstens!
9.oo beginnt die Messe - der erste orthodoxe Gottesdienst den ich erlebe. Der Bischof aus Ungarn vollzieht die heiligen Handlungen, die Kirche ist sehr gut besucht und dementsprechend voll, sehr warm ist es, das Wasser läuft mir unterm Hemd am Körper herab, leider verstehe ich von Lithurgie, Gesang und Gebet fast nichts. Die Messe dauert sehr lange - und meine Aufmerksamkeit lässt irgendwann nach, eilen die Gedanken schon wieder weit voraus.
Bald danach packe ich meine paar Sachen zusammen, der Fotograf und Fahrer des Bischof macht das Foto welches mich zwischen Mutter Oberin Justina und dem Bischof der rumänischen Gemeinde in Ungarn - Siluan Manuila - zeigt. Der Roller wird beladen und ich nehme Abschied von Mutter Oberin Justina (sie schenkt mir ein kleines Kreuz zum Anstecken) und Mutter Onufria (gibt mir ein Stück Honig vom Kloster mit), wir bedauern dass wir uns nicht genug verständigen konnten - ich hätte gern mehr über das Land, die Verhältnisse hier und vom religiösen Leben erfahren. Innerlich stark bewegt fahre ich ab, Mutter Onufrias Hände die sie mir sanft zum Abschied gibt bleiben mir lange in Erinnerung...

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Mittags ist es schon wieder total heiss, schaue sowieso fast nie mehr auf das im Fahrrad-Tacho eingebaute Thermometer. Das Wasser der Bucht ist natürlich ebenfalls total vermüllt - trotzdem baden viele Menschen hier! Dass es in diesen südöstlichen Ländern auch gar kein Umwelt-Bewusstsein gibt, die Menschen diese einfachen Zusammenhänge immer noch nicht erkannt haben: dass wir unsere Nahrung aus Erde und Wasser entnehmen - und alles was wir in Erde und Wasser tun so auch wieder zur Nahrung wird! Im Prinzip fressen wir doch unsere eigene Scheisse...
Ab Orsova geht es auf der Strasse 6 / Eurostrasse 70 weiter am linken Donauufer entlang, am Bahnhof mache ich einige Aufnahmen, an der Stadtgrenze nehme ich noch ein rumänisches Ursus-Bier, bin nach der Nacht so müde dass mir mehrfach die Augen zufallen. Auch in Orsova stehen viele grosse Schilder herum die auf EU-Entwicklungs- und Wirtschaftsförderung verweisen - genau wie bei uns zu Hause. Wird denn das ganze europäische Wirtschaftsleben zentralistisch aus Brüssel gesteuert? Das ist doch längst schlimmer als in der sozialistischen Planwirtschaft! Ein riesiger Verwaltungsapparat, überbordende Bürokratie was alles selbst keine Werte schafft sondern unsere Steuer-Gelder verschlingt und verprasst, die leben doch mit fetten Gehältern allesamt wie die Maden im Speck, für die ist doch das sauer verdiente Geld des Volkes nur Spielgeld dass sie wie beim Monopoly hin- und herschieben! Kann mir überhaupt nicht vorstellen dass so ein vertrockneter Beamtenfurz in Brüssel auch nur die geringste Ahnung von den Verhältnissen vor Ort - weder in der deutschen Provinz und schon gar nicht in der rumänischen - hat, da kann doch nur alles schief gehen, wird doch nur der Korruption - egal ob hier oder in Brüssel - Vorschub geleistet...
Die Strasse ist eine einzige Baustelle, lange Schlangen von Autos und schweren LKWs stehen mit laufenden Motoren, Polizei regelt per Sprechfunk den einspurigen Verkehr: auf der einen Seite stehen 200 Fahrzeuge - und auf der anderen 20. Locker rolle ich an allen Wagen vorbei, komme ganz gut voran - bis ich irgendwann mein Telefon vermisse! Das kann ich doch nur in der Wirtschaft am Stadtrand liegen lassen haben - also geht es jetzt die vielen Kilometer wieder zurück, an den ganzen Wagen ein zweites Mal vorbei - die Leute gucken schon ziemlich verdutzt. Bald läuft mir aus einem der wartenden Wagen eine Frau entgegen und redet wild gestikulierend auf mich ein, ich verstehe nur "Telefon" und "Bar" - die ist wohl beauftragt worden mich zu informieren wenn sie mich trifft - nun steckt sie selbst fest. Als ich dann endlich wieder am Ausgangsort eintreffe wird mir mein handy ausgehändigt - hatte das in seiner schwarzen Hülle beim Bezahlen auf dem schwarzen Tresen im Dämmerlicht übersehen - das kommt davon wenn man seine fünf Sinne nicht beieinander hat! Da ich nun wieder total überhitzt bin flösse ich mir noch einmal zwei Bier ein bevor ich weiterfahre, nun zum dritten Mal die gleiche Strecke!
Viele Flüsse und Brücken, Viadukte, das Kloster Vodita wird links der Strasse angezeigt, zwei Tunnel: tunelu Bahra und tunelu Baba - es ist Abend als ich am Staudamm vor Turnu Severin ankomme, der wird militärisch bewacht und fotografieren ist verboten. Dieser Teil der Donau wird "Einsernes Tor" genannt.
Die Dämmerung hat längst begonnen, habe wieder etwas kühles rumänisches Bier (das ist recht gut - warum sind die Leute bloss so verrückt nach deutschem Bier wie ausgerechnet Heineken und Becks?) am Stadtrand getrunken - nun heisst es einmal wieder einen Platz zum Schlafen zu finden, im Vorort recht schwierig, also fahre ich zurück etwas aus der Stadt heraus, neben dem Badesee ist eine riesige Kiesgrube - das heisst keine Grube sondern die Berge sind abgetragen, hier baue ich nun mein Zelt auf nachdem ich den schwer bepackten Roller über die Absperrung gewuchtet habe. Obwohl ich viel gefahren bin kam ich mal wieder nicht allzu weit!

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2010_07_19 - Montag, Reisetag 099

Nun geht es nach Turnu Severin hinein, versuche nach all den Tagen einmal wieder Internet-Zugang zu finden - in Rumänien habe ich noch keinen gefunden, bei den Freunden in Berlin machte man sich schon Sorgen und Matthias rief gestern an, fragte wo ich stecke! Auch in Berlin sind 40 Grad, haben wir einmal wieder einen Jahrhundert-Sommer.
An der Strasse macht eine Zigeunerin Wäsche, dann ein second-hand-shop wo ich kurz einschaue, doch der Mann handelt mit gebrauchter Kühltechnik, hat auch ein paar Fahrräder im Angebot - da er gut deutsch spricht frage ich ihn erst nach einem alten Motorrad-Gespann in der Gegend, dann ob er einen alten Gürtel für mich übrig hat. Er schenkt mir dann den stabilen Ledergürtel und ich kann den ollen, ausgeleierten Spanngummi wieder einpacken.
Internet gibt es hier natürlich auch nicht am Stadtrand, ich setze mich in ein Cafe und aktualisiere den Bericht, mit den Fotos komme ich einmal wieder nicht hinterher. Eine Horde Kinder interessiert sich für den Roller, sie kommen bald darauf herein und belagern mich, sind natürlich neugierig jedoch bald lästig da wir uns nicht verständigen können, auch frech - kennen nur die international gebräuchlichen Kraftausdrücke.
In der Stadt finde ich dann endlich nach langer Zeit einmal wieder Anschluss an das world-wide-web. Seit dem letzten Firefox-update lädt dieser browser keine Internet-Seite mehr, und der saublöde Internet-Explorer von Microsoft braucht zum Laden einfachster Seiten ewig! Versuche mit dem letzten Akku-Strom eine Systemrückstellung vor das Firefox-update, da klappt natürlich auch nichts, erst Deinstallation und das Herunterladen einer alten Version aus dem net schafft Abhilfe - insgesamt sitze ich mit meinem Daten-Transfer hier 3,5 Stunden und habe mal wieder die Nase voll von dieser Drecks-Technik!
Erst will ich gleich weiterfahren, sehe mir dann aber doch kurz das Zentrum an und bin angenehm überrascht - alles sauber und freundlich, Blumen überall, Brunnen und viele Menschen auf den abendlichen Strassen. Als es langsam dämmert will ich dann doch die Stadt verlassen, komme jedoch nicht weit - werde von einem Radfahrer angesprochen - der spricht ein gutes Englisch, und nach dem üblichen woher und wohin werde ich mal wieder "schangheit", damit meine ich: eingeladen. Nahebei wohnt Ninels Freundin Manuela mit ihrem Sohn Bogdan, dort sitzen wir lange zusammen, ausser dem Häuschen haben sie eine Wohnung direkt an der Stadthalle mit Blick auf Kirche und Markthalle, dort bekomme ich ein Bett für die Nacht. Auf dem Weg dahin macht mich Ninel (ehemaliger Elektronik-Ingenieur) auf die vielen hübschen, jungen Mädchen aufmerksam - das wären Zigeunerinnen die sich verkaufen. Vor dem Haus ein dicker BMW Geländewagen - der gehört einem Polizei-Offizier mit nur kleinem Gehalt, seine Einkünfte aus anderen Quellen bezieht...

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gesamt: 2907 km

2010_07_20 - Dienstag, Reisetag 100

Ninel ist ein sehr lebhafter Mensch (es wird mir fast ein bischen viel), auch früh sitzen wir noch lange zusammen, an der Wänden Fotos von Kindern und Schulklassen sowie vom Alltagsleben aus der kurzen Blütezeit des Sozialismus, zuletzt mache ich ein Foto von uns - dann wird es Zeit für mich.
Ich setze mich noch einige Zeit in eine kleine Bar, man warnt mich einmal wieder vor Zigeunern und ich solle gut auf meine Sachen aufpassen! Na, das mache ich sowieso, bin da sehr selten nachlässig, habe immer alles am Mann, den Roller immer im Blick. Sicherlich wird man beklaut - und das in der ganzen Welt - wenn man schon als Opferlamm daherkommt, geradezu zum Klauen einlädt wenn man allzu nachlässig scheint. Man darf auch nicht vergessen dass es hier nicht nur keine Arbeit und auch keine Verdienstmöglichkeit für viele Menschen gibt - ebenso wenig irgendeine Art sozialer Absicherung. Die Menschen müssen also irgendwie überleben, egal wie, können sich den Luxus einer Moral der Wohlhabenden nicht leisten, müssen jede Gelegenheit nutzen. Wer das nicht verstehen will oder kann sollte nicht in diese Länder reisen - sondern lieber zu Hause bleiben, sich die Bettdecke über der Kopf ziehen. Man kann mit vollem Magen immer schön von Moral reden - gerade wenn man das Elend dieser Welt - schön aus der Distanz - nur vom öden TV zu kennen meint. Die Realität sieht immer etwas anders aus - ist selten so verlogen romantisch wie es etwa in den Schlagern der 1970er hiess: "Auf dem Zigeunerwagen möcht ich so gern mit fahren..." Der gemeine Spiessbürger träumt vom Wanderleben - und zieht dann doch das Fliegen und Urlaub in abgeschirmten Hotel-Bettenburgen vor, sieht nur die bunten Farben - will dann aber doch nichts mit dem harten Existenzkampf des fahrenden Volkes zu tun haben, mit Elend, Krankheit, Schmutz, Gestank, Gewalt und Gemeinheit...
Hier noch einmal so ein Beispiel eines anrührendes Liedes:

Drei Zigeuner fand ich einmal
liegen an einer Weide,
als mein Fuhrwerk mit müder Qual
schlich durch die sandige Heide.

Hielt der eine für sich allein
in den Händen die Fiedel,
spielte, umglüht vom Abendschein,
sich ein feuriges Liedel.

Hielt der zweite die Pfeife im Mund,
blickte nach seinem Rauche,
froh, als ob er vom Erdenrund
nichts zum Glücke mehr brauche.

Und der dritte behaglich schlief,
und sein' Harfe am Baume hing,
über die Saiten ein Windhauch lief,
über sein Herze ein Traum ging.

An den Kleidern trugen die drei
Löcher und bunte Flicken,
aber sie boten trotzig und frei
Spott den Erdengeschicken.

Dreifach haben sie mir gezeigt,
wenn uns das Leben umnachtet,
wie man's verraucht, verschläft und vergeigt
und wie man es dreimal verachtet.

Nach den Zigeunern lange noch schau'n
musst' ich im Weiterfahren,
nach den Gesichtern dunkelbraun,
und den schwarzlockigen Haaren.

Eine ebenfalls sehr wichtige Verhaltensregel - gerade für allein Reisende: immer darauf achten was einem in Wirtschaften oder auch privat eingeschenkt wird. In Lokalen möglichst nur aus richtig verschlossenen Flaschen, drinks und Gläser nie unbeaufsichtigt lassen. Nicht wenig Menschen - selbst in Deutschland - werden mittels sogenannter "KO-Tropfen" willenlos gemacht, dann ausgeraubt, eventuell missbraucht! Hinterher kann man sich an nichts erinnern, geschweige denn beweisen!
Selbst ein einfacher, ungewollter Alkohol-Rausch kann so sehr unangenehme Folgen nach sich ziehen, ein schwerer Kater ist das gelindeste was man davon bekommt. Man macht sich einen Spass daraus zurückhaltenden Leuten ein sogenanntes "U-Boot" ins Glas zu versenken - ins Bier wird eine gewisse Menge hochprozentiger Alkohol gemischt den man so nicht schmeckt - und dann liegt man nach zwei Gläsern flach. Ich rate auch vom Genuss sogenannter Mix-Getränke ab, da weiss man nicht nur nicht was drin ist - oft minderwertiger Alkohol der mit Sicherheit Kopfschmerzen bereitet - sondern auch nicht wieviel! Eingeladen werden ist zwar etwas sehr schönes, das Gastrecht heilig - doch zu vertrauensvoll sollte man sich nie wildfremden Menschen anvertrauen, kann man ruhig den angebotenen Drink ablehnen - viele trauen sich das nicht wenn derjenige ein grimmig drein blickender, bedrohlicher Zeitgenosse scheint - doch einen ungewollten Drink oder eine ungewollte Bekanntschaft abzulehnen ist keine Beleidigung. In der Regel bleibt es auch nicht bei dem zuerst akzeptierten Drink - die Kontrolle über sich und seine Ausrüstung darf man nie verlieren...

Nachdem ich nun alle mails beantwortet habe - es gibt ein stabiles w-lan hier - geht es weiter, bei einer Filiale der brd-Bank will ich noch einmal 40 Eus tauschen - hier will man natürlich auch meinen Ausweis sehen und ich lasse die Prozedur über mich ergehen. Um zwei Zwanziger in rumänische Lei umzutauschen muss ich nicht nur meinen Ausweis zeigen der Wort für Wort abgeschrieben wird, dann auch noch beidseitig kopiert wird, ich muss mehrere Formulare unterschreiben - dann wird mir endlich der Gegenwert von 40 Eus in Lei ausbezahlt! Mittlerweile hat sich eine lange Schlange in der Bank gebildet, alles wurde nicht nur von dutzenden Kameras sondern auch noch von den scharfen Augen eines Uniformierten überwacht.
Am Stadtrand ist ein grosser Penny-Markt in dem ich noch etwas einkaufen will. Kaum habe ich ein Brot und eine Flasche Wasser in der Hand kommt eine Uniformierte und verlangt ich solle meinen Rucksack draussen lassen oder abgeben. Offenbar halten sie hier alle Ausländer für Kriminelle, ich habe wenig Lust meine Wertsachen draussen am Roller oder am Eingang in ein offenes Fach zu legen, nach kurzer Diskussion schmeisse ich Wasser und Brot ins nächste Regal und verlasse den Supermarkt. Wenn die mein Geld nicht wollen lasse ich das lieber im nächsten Dorfkonsum.
Auf solch teils entwürdigende Behandlung habe ich keine Lust mehr, erlebte ja schon manches - bin so zum Beispiel einmal bei meiner ersten Tour per Auto-stop ins Ausland nachts schikanös von ostdeutschen Zöllnern (Bad Schandau) aus einem Auto herausgeholt und bis in den Anus hinein visitiert worden! Keine Ahnung was die Idioten da gesucht haben, die dachten wohl ich versuche grosse Mengen Devisen ausser Landes zu schmuggeln. Nachdem sämtliche Nähte meiner Kleidung abgefummelt wurden und ich weiss nicht wie vielen Telefonaten wohl nach Berlin wurde ich dann nach mehreren Stunden, mitten in der Nacht, entlassen - kein Auto fuhr mehr und mir blieb nichts anderes übrig als die vielen, vielen Kilometer bis Usti zu laufen. Und wundern sich vielleicht noch dass dieses ganze Pack beim Volk verachtet und gehasst wird...
In Simian sind fast 43 Grad Celsius, will in einem Laden ein Bier aus dem Kühler holen (hier ist überall Selbstbedienung). Habe kaum die Flasche in der Hand reisst mir die Else die Tür aus der Hand: "Close the door!", ich öffne in aller Ruhe wieder die Tür des Kühlfachs, stelle das Bier hinein und fahre weiter...
Der nächste Stop ist in Hinova - hier treffe ich zwei junge Dänen die eine spartanische Radtour von Wien ans Schwarze Meer machen, ich sitze mit Mads (Sport-Student) und Nicolaj (Student für erneuerbare Energien) auf Bänken zwischen Hühnern eine Weile zusammen, als sie weiter fahren mache ich das Foto von ihnen.

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Nun geht es wieder einmal eine lange, lange Steigung hinauf. Kurz vor dem Kamm basteln zwei Radfahrer an einem ihrer Räder herum, haben Probleme mit dem vorderen Kettenwerfer, ich frage die beiden Tschechen Pavel und Vera ob sie Hilfe brauchen. Pavel spricht ein sehr gutes Deutsch, sie sind bereits auf dem Rückweg, haben eine grosse Rundreise vom Banat (auch hier lebt eine kleine Minderheit - diesmal Tschechen in fremden Land) bis Bulgarien gemacht. Sie machen ein Foto von uns Dreien, Pavel hat sogar ein Stativ dabei - als ich das lustig kommentiere meint er das brauche er für hdr-Fotografie.
Nun geht es bergab, die Strasse 56a ist nagelneu, übersichtlich und momentan nur von mir befahren - so lasse ich rollen, sitze auf dem Kanister tief über den Lenker gebeugt und erreiche so eine neue Höchstgeschwindigkeit von 75,9 km/h !
In Vanju Mare fotografiere ich die Strommasten, in Bucura das Gerippe am Strassenrand, dann bin ich in Recea. Kurz vor Manatori neben dem völlig zugewachsenen Weinberg schlage ich mein Lager auf, bekomme kaum die Zelt-Heringe in den steinharten Boden.

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gesamt: 2907 km

2010_07_21 - Mittwoch, Reisetag 101

In Manatori (wieder diese Sonder-Zeichen hier - über dem ersten a ein Bogen, über dem zweiten das umgekehrte Dach) kaufe ich Joghurt, paar Kekse und einen Kaffee, sitze mit den alten Herren zusammen. Am anderen Ende des Ortes setze ich mich noch einmal zu einem Laden, mache ein paar Fotos von der Alten die mit dem Krückstock gestikuliert - gar keine gefährliche Situation! Mir wird ein alter Mann vor die Kamera gestellt den ich ebenfalls fotografiere, später setzt es sich neben mich und fragt etwas flüsternd. Zwei Lei stecke ich dem dankbaren Mann zu, das kommentieren nun die anderen lautstark, es geht wohl darum was wohl die Menschen in Deutschland von Bettelei denken sollen! Ich versuche denen klar zu machen dass das kein Problem sei, spreche ein Machtwort: Silentium! Doch man verlangt von dem Alten er solle verschwinden, er ist längst völlig eingeschüchtert, doch nun stehe ich demonstrativ auf, drücke dem Alten die Hand, schwinge mich auf den Roller und verlasse ohne Gruss diese ungastliche Runde...
In Cujmir sehe ich den nächsten zugewucherten Weinberg, denke ich sollte doch einmal einen Wein von so einer Wirtschaft probieren, klopfe am Nachbar-Grundstück lange - bis eine alte, kleine Frau hervorkommt der ich begreiflich zu machen suche dass ich etwas Wein kaufen will. Doch leider ist weder mit Worten noch mit Gesten eine Verständigung möglich und ich fahre weiter, fotografiere einen Laden für Landwirtschafts-Bedarf, am Kriegerdenkmal den Wagen mit der einen Eselstärke = 1 ES. Hier gibt es noch viele funktionierende Ziehbrunnen, ich schöpfe etwas Wasser mit einem Holzeimer.
Gegenüber einer der Kirchen des Ortes die alte, frühere Grund- oder Elementar-Schule - winzige Zimmerchen mit kleinem Kanonen-Ofen, in einem Raum stehen ausgediente Schulmöbel. Wie viele Kinder hier wohl einst das ABC lernten? Die neue Schule steht direkt daneben und ist noch in Gebrauch.
In Izimsa neue, grosse Häuser, bei der örtlichen Landmaschinen-Station steht neben zerlegten Traktoren auch ein alter, ehemaliger rumänischer Militär-LKW, hergestellt in Brasov, den kann ich fotografieren und mich auf dem Gelände umsehen, wie man sieht wird hier noch mit dem grossen Hammer repariert, leider gibts auf dem Hof nur ausgediente Land-Technik. Etwas weiter die dörfliche Polizei-Station - ich denke da marschiere ich mal hinein und sage Hallo, doch der diensthabende Polizist ist übellaunig und desinteressiert, ich zeige ihm wenigstens draussen den Roller bevor ich weiter fahre. Der lokale Kindergarten mit drei verwaisten Rutschen, als ich den Roller an einer kleinen Mauer abstelle und mich zu einem Brunnen wende fällt die Karre einmal wieder um wie schon so oft auf der Tour, mühsam muss ich die wieder aus dem Graben wuchten. Der Brunnen spendet kühles Nass, doch die Bildnisse der Stifter haben üble Zeitgenossen ausgekratzt.
Bei der nächsten kleinen Wirtschaft sitzen wie üblich die alten Herren zu denen ich mich geselle, nach einiger Zeit kommt ein interessanter Typ an mit dem ich schnell bekannt werde. Dan betrieb einige Jahre eine Motorrad-Werkstatt, war selbst Motor-Sportler, fuhr speedway und cross, ausserdem ein begeisterter Sport- und Kunstflieger war. Als er mein Interesse erfährt nimmt er mich mit zu sich nach Hause um mir paar alte Sachen zu zeigen, er wohnt direkt auf der anderen Seite der Strasse. Ich bekomme nicht nur das Schwert seines Grossvaters zu sehen - der war Kadett bei der Leib-Garde von König Karol, den Propeller seines Flugzeuges und den tschechischen 220-PS-Flugmotor (AVIA, Prag - Baujahr 1972, Typ M137 A). Als ich erzähle dass ich ein Motorrad-Gespann aus dem Weltkrieg aufbaue erzählt er folgende story:

Sein Vater war ebenfalls begeisterter Sportler, besuchte vor dem 2. Weltkrieg eine Militär-Schule in Deutschland, war dann bei den motorisierten Truppen. Als Rumänien dann die Waffenbrüderschaft mit Deutschland unter dem Druck der einmarschierten Russen aufkündigt, die Waffen nun gegen den ehemaligen Verbündeten richten muss kommt sein Vater mit einem deutschen Motorrad-Gespann (Sahara) zurück. Angeblich war es eine 600er Zündapp, doch als er berichtet dass das Seitenwagenrad ebenfalls angetrieben war kann es nur eine KS-750 gewesen sein (genau so ein Gespann baue ich mir auf). Später tauschte er das Gespann sowie 2 Schweine gegen ein Haus in Crajova...

In der Werkstatt steht noch eine Destille, Dan macht selbst Wein für den Hausgebrauch. Den Wein will ich gern probieren, mache ich doch selbst gelegentlich Wein aus Wildfrüchten, seine Frau Lika bringt Gläser, ich möchte den Wein pur - nicht gespritz / vermischt mit Mineralwasser - trinken, das Wasser lieber extra. Nun bin ich gewiss kein Gourmet, nicht allzu wählerisch - aber dieser rötliche Wein den ich da bekomme ist absolut nicht trinkbar, ich beisse die Zähne zusammen und nippe nur gelegentlich einmal, trinke immer viel Wasser hinterher. In einem Moment wo ich kurz alleine bin kippe ich das Getränk heimlich in die Büsche - mein Gastgeber möge mir verzeihen!
Nun spendiere ich die halbe Flasche serbischen Weinbrands die noch übrig ist - ein wahres Labsal, bei der Hitze stossen wir eigentlich nur an, Dan muss den Tag auch noch arbeiten - für den lokalen Grossgrundbesitzer, den "Major", den Rest der Flasche lasse ich bei meinem Gastgeber zurück.
Dans Sohn studiert in Luxembourg, über das Kloster St. Ana erfahre ich eine andere Geschichte als die die man am Kloster lesen kann:

Ein Deutscher Offizier wurde verwundet und von den Frauen in Orsova gepflegt - nach seiner Genesung stiftete er das Kloster. Unter Ceaucescu war das Kloster Restaurant, die Malereien wurden mit einem Kalkanstrich bedeckt.

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Als Dan zur Arbeit muss breche ich auf. Viele Kilometer weiter ein Bach in dem sich neben allerlei Geflügel auch Schweine tummeln, fette Säue liegen schlafend im Wasser, dabei zwei Hunde die erstaunlicher Weise einmal nicht loskläffen als ich Fremder näher trete, dieses dörfliche Idyll, dieses Stilleben fotografiere: Tonaufnahme.
Mit 7 % geht es einmal wieder bergauf, oben der Ort Cetate - voll mit Rumänien- und EU-Flaggen! Bei einem Laden treffe ich auf den lokalen Polizei-Offizier dem ich die Hand schüttele, er fasst kurz an die schwarze Hülle vom leatherman der an meinem Gürtel hängt - denkt er das ist die Hülle für ein Pistolen-Magazin? Die Form hat es in etwa.
Später kehre ich noch einmal ein, als ich dann die zwei Bier bezahlen soll malt man mir 10 Lei auf. Das ist für einen kleinen Dorf-Ausschank recht viel und ich weigere mich die zu bezahlen, der Betrag wird nun auf 5 Lei reduziert die ich dann auch zahle, das ist etwa der übliche Preis hier für zwei gekühlte Flaschen Bier - umgerechnet etwa 1,20 Eus.
In Hunia Störche, in Maglavit treffe ich auf die Franzosen Guillennette und Christoph - die sind mit einem Piano unterwegs !!! Der Piano-Transporter wird als ich das Paar treffe gerade von ihr pilotiert, das Vehikel fährt mit Solar-Unterstützung! Man sieht - es gibt also noch viel verrücktere Touren und Leute ! Sie spielen klassische Musik, versuche mir vorzustellen wie das in solch kleinen Städtchen wie hier wohl bei den einfachen Menschen ankommt. Ich empfehle den beiden bei den lieben Müttern und Schwestern im Klosters St. Ana in Orsova einzukehren!
Während wir uns unterhalten stellt sich heraus dass eines der Kinder die hier zusammenliefen Spanisch spricht! Nun unterhält sich Guillennette die mehrere Sprachen spricht eine Zeit lang mit dem Jungen, ich komme aus dem Staunen nicht heraus...
Es geht dann weiter auf der E79, die nächsten Orte Golenti und Rasarabi, vor Calafat baue ich direkt am Strassenrand neben einem wie üblich überwucherten Weinberg mein Zelt auf.

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Tag: 54 km, gesamt: 2961 km

2010_07_22 - Donnerstag, Reisetag 102

In Calafat kaufe ich 1,5 Liter Milch im Supermarkt am Ortseingang - niemand stört sich an meinem Rucksack. Hier wird ein grosses Strassenbau-Projekt von der EU gefördert und ich frage mich warum, welche Interessen wohl dahinter stecken - abgesehen von denen der Bauwirtschaft mit dem ganzen korrupten Umfeld von lokalen Bonzen und Politikern. Schon das Römische Imperium baute überall Strassen um das grosse Reich besser verwalten und kontrollieren, im Bedarfsfall schnell Truppen verlegen zu können - eben jene Strassen auf denen dann die Feinde Roms ins Reich kamen und das Imperium zerschlugen!
Es stellt sich die Frage solche armen, rückständigen Länder wie etwa Rumänien in die EU aufzunehmen - was bringt das, welche Strategie steckt dahinter? Dieses instabile EU-Gebilde - ein Koloss auf tönernen Füssen - droht doch jedes Jahr auseinander zu brechen, kocht doch jede Nation eher ihr eigenes Süppchen, gibt es selten Einigkeit allein schon in Finanz- oder Verteidigungs-Politik. Wem nützt denn das Ganze? Doch nur der Wirtschaft, denen ist u.a. daran gelegen billige Arbeitskräfte bzw. Produktionsstandorte zu sichern, Arbeit gibt es nirgendwo ausreichend - geschweige denn Wohlstand für alle, werden doch die Gegensätze zwischen Reich und Arm immer krasser. Schon zu sehen welch grossartige Bauprojekte allein hier vorgenommen werden und was das alles kostet - dabei sind doch alle EU-Staaten pleite und höchst verschuldet, solche armen Länder wie z.B. Rumänien können sowas doch gar nicht selbst bezahlen, also baut man hier mit den Steuergeldern der etwas potenteren EU-Mitgliedsstaaten. Das treibt doch alles bloss die allgemeine Inflation voran, fördert Korruption und verteuert die Lebenshaltungs-Kosten, klafft auch hier bald die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander, werden die sozialen Gegensätze krasser.
Wenn hier einst in der Landwirtschaft nach EU-Norm effizient gearbeitet wird, die vielen kleinen Flächen zusammen gelegt und mit grossen Maschinen bearbeitet werden sind auch hier die vielen Menschen ohne Arbeit und Lohn - was soll aus ihnen werden?
Setze mich dann doch noch in Calafat in ein Cafe - dem "Royal-Club 94" mit vielen attraktiven, aufgeputzten jungen Frauen, schreibe hier weiter, leider ohne w-lan. Nach einer Weile kracht es im hinteren Teil der Bar, Glas splittert - anscheinend ist ein Regal von der Wand gefallen! Die Aufräumarbeiten gehen recht schleppend voran, immerhin spielen sie recht gute Musik aus der Konserve. Dass die Menschen hier trotz der oft schlechten Luft fast alle starke Raucher sind ist wohl nichts Neues.
Am Friedhof vorbei geht es auf der Strasse 55A weiter, an einem Ziehbrunnen anscheinend einmal wieder ein Laufrad (Durchmesser 53 cm) von einer Halbketten-Zugmaschine der Wehrmacht. Die Gummies wurden meist entfernt und als Bremsbacken für die Kutschen verwendet, ersetzten dort die Holzklotz-Bremsen.
Der Melonen-Mann am Strassenrand verschläft laut schnarchend Tag und Fotos, erst fahre ich weiter - drehe dann aber doch um, als ich nun von der anderen Seite erneut ankomme kläfft nun auch sein Köter los der alles unter dem Wagen verschlief. Die kleinste Melone kaufe ich, schaffe jedoch nur ein dreiviertel.
Nicht nur in Poiana Mare gibt es unzählige Storchennester - immer mit Spatzen als Untermieter. Die Kirchen hier sind recht schmuck, mit neuen roten Dächern. Nun plagt mich das totale Magengrummeln, ich merke dass ich dringends eine Toilette brauche - doch das Dorf nimmt und nimmt kein Ende, geht gleich ins nächste über: Tunarii Vechi. Ich kneife die Backen zusammen und fahre mit letzter Kraft, habe in dem Zustand auch keine Lust Bekanntschaften zu machen - nach einigen Kilometern ist dann endlich der Ortsrand erreicht und ich kann mich endlich in die nächsten Büsche schlagen! War das grosse Messer von Mr. Watermelonman mit dem ich die Melone schnitt schmutzig oder lag es am kalten Bier dass ich später trank?

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In Piscu Vechi der Hufschmied direkt an der Strasse, im nächsten Laden spendiert der Chef mir zwei Bier, ein Unwetter kündigt sich an - das sind dann aber nur ein paar Tropfen, die kleinen Mädchen sitzen neben dem Laden. Und schon wieder werde ich vor den Kriminellen überall gewarnt, offenbar macht man sich über mich mehr Sorgen als ich selbst. Was kann mir schon gross passieren? Solange man mir wegen meiner paar Piepen nicht den Bauch aufschlitzt...
Der Ort geht direkt in Ghidici über, am Ortsrand eine Schweinemast und Biogas-Anlage - ich weiss nicht sind die Gastanks nun implodiert oder explodiert? Zwei Jugendliche sind mir gefolgt - die lungern hier oft auf neuen Mopeds herum - ich frage sie ob sie Probleme haben, als sie das verneinen sage ich: Ich auch nicht, sie ziehen ab.
Auch in dieser Gegend stehen oft neue, schwere Geländewagen - die braucht auch hier niemand, dienen sie doch einzig repräsentativen Zwecken, sind reines Status-Symbol, wird man sich hüten die Dinger jenseits asphaltierter Strassen schmutzig zu machen.
Inzwischen habe ich oft ein ungutes Gefühl, bin mit der Angabe meiner Reiseroute zurückhaltender, suche meine Schlafplätze vorsichtiger, wähle gedeckte Stellungen. Nach Basti - kurz vor Negoi ist mein Nachtlager direkt an der Strasse hinter Büschen, von der Strasse aus nicht einsehbar.

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Tag: 53 km, gesamt: 3014 km

2010_07_23 - Freitag, Reisetag 103

In Negoi ist eine kleine Poststelle, ich kaufe Briefmarken, schreibe zwei Briefe (je Brief 5 Lei Porto nach Deutschand, etwa 1,20 Eus). Der nächste Ort Catane, am Ortsausgang sehe ich auf einem Grundstück einen Russen-Boxer stehen, ich frage ob ich das Motorrad fotografieren darf - und werde auf das sehr, sehr rustikale Anwesen gebeten. Neben dem russischen Motorrad - der Beiwagen liegt nicht weit im Schlamm - gibt es noch ein trauriges MZ ES-250/1 Gespann, einen alten Seitenwagen und im Hühnerstall eine NSU 201 ZB von 1956 (Fahrgestell-Nummer: 1773439), vieles ist in mehr oder weniger sämtliche Einzelteile auf grobe Weise zerlegt, schwer vorstellbar dass aus dem heillosen Durcheinander von abgenutzten und zerbrochenen, rostigen Teilen je wieder eine halbwegs funktionierende Maschine wird.
Ich werde in die Küche gebeten und muss etwas essen, ausserdem mixt der Hausherr in einer grossen Plastik-Flasche Wasser, 96%igen Prima-Sprit und Chemie-Sirup, wir trinken zusammen einige Sto-Gramm. Es zeigt mir ein chinesisches 4,5 mm Knicker-Luftgewehr der Marke Umarex Modell 61, die Geschosse stanzt er selbst mittels einer uralten Maschine aus einem Bleistreifen. Später startet er seinen Traktor - der läuft sogar!
Lustig dass die hier alle zu der Hitze: "Kalt!" sagen...

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Bald geht es weiter nach Bistret, am Ortseingang ein völlig überwucherter Friedhof. Die Strassenränder eines jeden Dorfes sind von allerlei Federvieh bevölkert, ausserdem weiden Ziegen, Pferde, Esel und Kühe auf dem schmalen Streifen Gras. Inzwischen meine ich die beste Verhaltensregel bei dem vielen zwielichtigen Volk hier durchschaut zu haben - selbst offensiv auf die Leute zugehen, keine Schwäche zeigen, den Blicken stand halten.
Ein Junge trägt stolz einen Fernseher durch die Gegend und kommt mir ein bischen wie Hans im Glück vor - der tauschte seinen Goldklumpen auch gehen wertloses Zeug ein!
Die Donau ist einmal wieder sehr nahe, in Ploska treffe ich auf einen Wagen der Grenzpolizei - die wollen sich trotz vielem Händeschütteln partout nicht mit mir fotografieren lassen. Als ich abfahre drücken sie zum Abschied kurz auf ihre Sirene.
An den Strassenrändern stehen auch hier wieder viele Kinder die sobald sie mich sehen die Hände ausstrecken - im Vorbeifahren tippe ich sie immer kurz an, sonst klingle oder winke ich.
In Carna setze ich mich in einer Wirtschaft zu der Grossfamilie, etwas weiter ist ein Ziehbrunnen aus dem ich mühsam mit dem löchrigen Eimer Wasser schöpfe, etwas von der verschwitzten Wäsche durchspüle. Nächste Orte: Sapata, Macesu de Jos, Nedeia Gighera, in Zaval rennt mir beinahe ein kleiner Junge vor die Räder. In Ostroveni greift die Ladenbesitzerin bei meinem Eintreten nach ihrer Tasche - sehe ich unrasiert bereits so kriminell aus? Dann Porabia, Port Bechet - und vor Calarasi etwas ab von der Strasse hinter einer Baumreihe baue ich heute Abend das Zelt.

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Tag: 78 km, gesamt: 3092 km

2010_07_24 - Samstag, Reisetag 104

Vor Calarasi ist eine Melonen-Sammelstelle und die Leute kommen von nah und fern, voll beladene Fahrzeuge, Wagen und viele Leute stehen davor. Während ich vorbeifahre deutet aus einer Gruppe heraus einer der Männer einen Tritt gegen meinen Kopf an! Dem würde ich am liebsten ordentlich ins Gesicht spucken - doch hätte ich so mit Sicherheit die gesamte Meute auf den Fersen, so verziehe ich bloss verächtlich die Mundwinkel. Gleich neben Calarasi ist dann Dabuleni, etwas weiter in einem kleinen Supermarkt ist das Brot noch warm, davor frühstücke ich, im Zentrum keine Bar in die ich mich setzen mag, es gibt eine kleine Kirche, eher Kapelle. Erst am Stadtrand eine kleine Wirtschaft die mir zusagt, der grosse Espresso kostet dann nur 1 Lei - etwa 25 Cent! Mein netbook mag ich hier in Südrumänien nicht mehr heraus holen, zu unsicher scheint mir die Gegend.
Nächste Orte: Ianca, Potelu, Grojdibodu - da nehme ich eine Cola, nehme heute meinen alkoholfreien Tag, trinke heute einmal keines der leckeren, kalten Biere - das macht nur träge. Hinter Gura Padinii sind vor der Donau zwei kleine Hügel, sehen aus wie vorzeitliche Grabanlagen. Orlea ist ein kleiner Militärstandort, der schwer beladene Heuwagen fährt hier. Etwas weiter drei Köter um einen überfahrenen Artgenossen - fressen die an dem herum? Als ich näher komme und die Szene fotografieren will rennen sie auseinander. In Corabia wird wieder einmal lange mein Roller bestaunt, als die Leute endlich glauben was ich ihnen erzähle bekreuzigen sie sich - das habe ich schon oft erlebt. Zwei Kleinbusse fahren vollig überladen an mir vorbei - vollgestopft mit Menschen und Gepäck, ein Hintern hängt sogar zum Fenster heraus! Feist-finstere Typen fahren mit schweren, neuen Geländewagen die Hauptstrasse rauf und runter. Von den landeseigenen ARO-Geländewagen sieht man in Rumänien nur noch sehr wenige klapprige Exemplare - ich glaube die taugten schon nicht viel als sie noch neu waren.
Die hier oft noch primitive Landwirtschaft mit viel Handarbeit ist sicher wenig effizient, gibt jedoch vielen Menschen Arbeit. Schwer vorstellbar was aus ihnen werden soll wenn hier EU-Standards und -Technik - und vor allem hohe Preise und Lebenshaltungskosten - Einzug halten!
Jugendliche die hier auf Mopeds herumlungern lachen oft wenn sie mich mit dem Trottinetta sehen - doch wenn sie in zehn Jahren dann aussehen wie ihre "schwangeren" Väter werde ich lachen!

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In Circov in einer Bar eine grosse Meute Kinder beim Billard, in Izlaz viele finstere Typen - am Ortsausgang trenne ich meine Barschaft und verteile sie auf verschiedene Taschen. Dann treffe ich auf den Franzosen Paul-Henri, der macht mit seiner Schwester und zwei Freunden eine Weltreise mit Velosolex, sie haben den grössten Teil der Tour hinter sich - etwa 15ooo km durch mehrere Kontinente, die letzten 3ooo km nach Hause sind die letzte Hürde.
Am frühen Abend bin ich in der ganz hübschen Kleinstadt Turnu Magurele. Bei den alten Neubauten am Korso finde ich sogar Internet mittels w-lan, rufe im Stehen die aktuellen mails ab und sende ein Lebenszeichen. Besonders wohl habe ich mich die letzten Tage zwischen Calafat und hier nicht gefühlt, wurde ja bereits in Berlin von dort lebenden Rumänen und auch hier an jeder Ecke vor den Zigeunern gewarnt - immer die entsprechende Handbewegung dazu sowie die international bekannte Floskel: "Zapp-Zerapp!".
Während ich meine mails beantwortete - das netbook auf dem Gepäckberg - schreitet hinter mir eine Hochzeitsgesellschaft vorbei, die Braut dreht sich lange nach mir um. Später sehe ich die Gesellschaft auf dem Korso wieder - alle sehr gut gekleidet, bettelnde Kinder umringen sie.
Eine Wirtschaft am Stadtrand macht einen guten Eindruck, eine Weile setze ich mich um hier weiter zu schreiben, als es dämmert will ich losfahren, die Betreiberin redet lange in rumänisch auf mich ein - es klingt wie eine Warnung Richtung Giurgiu weiter zu fahren. Es wird eine recht unangenehme Fahrt, habe das Gefühl verfolgt zu werden, junge Burschen auf Fahrrädern "begleiten" mich immer mehrere Dörfer weit, lassen sich nicht abschütteln. Wie soll ich so unbemerkt einen Schlafplatz finden? Längst ist es richtig dunkel geworden, es ist kaum noch etwas zu erkennen, entgegen kommende Autos blenden mich. Langsam fahrende neue Radfahrer überhole ich die mir dann folgen - als ob sie auf mich gewartet haben, so geht es durch mehrere Dörfer. In einem Dorf reicht es mir dann - los werde ich die Typen nachts sowieso nicht - ich mache kehrt, am Ortseingang ist ein grosser Hof beleuchtet, mit einigen grossen Autos. Hier will ich fragen ob ich auf dem Grundstück, irgendwo an der Seite, mein Zelt aufbauen kann. Obwohl ich die Männer nicht und sie mich nicht verstehen gelingt eine Verständigung - und ich werde aufgenommen, darf mein Zelt nun hier am Rande aufbauen, die beiden kleinen Hunde haben mich schnell akzeptiert, ich bekomme eine Dusche angeboten die ich dankbar annehme. Hier sind einige Leute aus Bukarest zusammen gekommen, verbringen ihre Ferien, fischen in der Donau. Einer macht Filmproduktionen beim oder für das Bukarester Fernsehen, spricht gut Englisch und so klappt es mit der Unterhaltung. Da es morgen 5.oo Uhr früh zum Fischen geht gehen alle zeitig zu Bett, und ich verkrieche mich in mein Zelt.

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Tag: 104 km, gesamt: 3196 km

2010_07_25 - Sonntag, Reisetag 105

Der Ort in dem ich so nette Aufnahme fand heisst Traian - hier war zu Zeiten dieses römischen Kaisers während der Eroberungen ein Heerlager seiner Truppen. Die Nacht gab es ein heftiges, lautes Gewitter über uns, es regnete endlich einmal richtig. Meine Wäsche kann ich hier waschen, die Maschine erledigt das ganz fix, ist auch recht nötig - das gelegentliche Durchspülen mit kaltem Wasser ist nur ein kleiner Behelf. Es gibt ein gutes Frühstück - davor ein richtiges Tischgebet - ich bin sehr ergriffen, erlebe das auf meiner Tour zum ersten Mal, in Deutschland und Österreich ist sowas ganz "aus der Mode" gekommen. Als die Wäsche halbwegs trocken ist nehme ich Abschied - wie froh bin ich hier gestern im Dunkeln als Fremder so gastlich aufgenommen worden zu sein - lieben Dank noch einmal !
In Trajan ist an einem öffentlichen Ziehbrunnen noch einmal so ein Halbketten-Laufrad wie bei Calafat. Heute hoffe ich die Grenze nach Bulgarien zu überqueren, bis Giurgiu ist es noch recht weit, sicher etwas mehr als 100 Kilometer. Ich komme ganz gut voran - Navodari, in Vanatori die blassgrüne Kirche, Lisa, Piatra, Viisoara, Suhaia. In Fintanele die Kirche mit dem grossen Tor, in Zimnicea am Bahnhof der Lokschuppen mit Wasserturm. Der Lokschuppen war sicher einmal eine Reparaturwerkstatt für Dampfloks - zwei grosse Kamine für die Abgase deuten darauf hin.
Zimnicele, in Nastrurelu fahre ich an einer Hochzeit vorbei, dann Bujoru. In Pietrosani werden die Kühe von der Weide getrieben, an einer Kreuzung geht jede Kuh in eine andere Richtung ihrem Hause zu, der Hirte empfägt seinen Tageslohn. Am Ortsausgang ein grosses Heldendenkmal.
Seit Zimnicea bin ich wieder entspannter, sind die Leute freundlicher, erscheinen weniger bedrohlich. Sicher habe ich einigen Leuten unrecht getan, war wegen meines Unbehagens zwischen Calafat und Zimnicea wenig offen für spontane Kontakte - nicht jeder der grimmig aussieht ist es auch, doch sind Misstrauen und Furcht keine guten Grundlagen um Land und Leute kennen zu lernen, selbst wenn sie unbegründet sein sollten.
Nach Pietrisu - kurz vor Cetatuia baue ich das Zelt in einem schmalen Maisfeld auf.

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Tag: 100 km, gesamt: 3296 km

2010_07_26 - Montag, Reisetag 106

Morgens beginnt es zu regnen, immer wenn es eine Weile aufhört und ich denke bald ist das Zelt trocken geht es wieder los, und ab Mittag hört es gar nicht mehr auf, der Regen trommelt auf das Zelt: Tonaufnahme. So verbringe ich den ganzen Tag im Zelt, nur am Abend schaue ich mal kurz zu Fuss ins Dorf, lasse alle meine Sachen in der gut gedeckten Stellung im Maisfeld zurück. Das Dorf ist winzig, es gibt nur einen kleinen Laden und dort nicht einmal Brot um die Uhrzeit, so kaufe ich nur etwas Wurst, Kekse und Waffeln. Auch eine Wirtschaft fehlt im Örtchen, so gehe ich bald zurück zu meinem Quartier im Maisfeld. Zum Glück habe ich die Schritte bis zur Strasse abgezählt und finde so den gut getarnten Lagerplatz wieder. Am Horizont ist der Himmel klarer - hoffentlich ist es morgen trocken, habe keine Lust hier noch einen Tag und die Nacht zu verbringen.

Tag: 0 km, gesamt: 3296 km

2010_07_27 - Dienstag, Reisetag 107

Cetatuia, Vedea - hier nehme ich in dem kleinen Laden zwei Kaffee, sitze auf rotem Plastik-Stuhl unter rotem Sonnenschirm an der Strasse, gedenke meiner Ahnen von denen ich träumte - frage mich was ich überhaupt hier in der Fremde mache, so fern der Heimat...
So viele Kinder und Jugendliche sieht man zu allen Zeiten auf den Dorfstrassen - haben die keine Schule? Oder sind auch hier gerade Sommerferien? Hinter Malu steht an der Strasse ein Wagen der Politia de Frontera - hier werde ich das erste Mal - nach 3313 km - gestoppt! Die beiden Grenz-Polizisten sind neugierig was da angerollert kommt, sowas haben sie mit Sicherheit noch nicht gesehen, leider wollen sie sich partout nicht mit mir fotografieren lassen. Eine der Dienstwaffen lasse ich mir zeigen - ein rumänisches Fabrikat das nach Aussage des Mannes nicht viel taugt, wenn ich mich recht entsinne 7,65 mm. Sie schenken mir eine Handvoll Weintrauben, ich kanns nicht lassen und mache unbemerkt doch ein paar Aufnahmen, nach vielem Händeschütteln und guten Wünschen beiderseits geht es weiter.
In Slobozia vor der Kirche ist am Brunnen einmal wieder ein interessantes Rad befestigt, Durchmesser 43 cm, Breite aussen 4 cm, eingeschlagene Zeichen: TIT 6078, ausserdem IMAS (darunter eine 1). Sicher auch wieder ein Laufrad von einer Halbkette, werde gelegentlich mal recherchieren wovon. Im Ort sind einige Wirtschaften, in eine setze ich mich zum Kaffee, lade Akkus von Telefon und netbook, schreibe weiter, hoffe ein paar Fotos abarbeiten zu können.

Foto © by Burkhart Rüchel  Foto © by Burkhart Rüchel  Foto © by Burkhart Rüchel  Foto © by Burkhart Rüchel

Später in Giurgiu fehlen einmal wieder die Hinweisschilder, irre erst durch die Vororte, dort steht die Jawa mit Seitenwagen, die Präfektur wird gerade renoviert, vor dem Museum stehen wieder Kanonen, lande dann im Freihafen, finde erst spät die lange Brücke und forciere nun Donau und Grenze zu Bulgarien. Beim Zoll Rumäniens winkt man mich bloss durch, die lange Brücke immer noch so marode wie ich sie in Erinnerung hatte, der Fussgängerstreifen so schmal dass ich mir links am Geländer den Ellenbogen heftig stosse und rechts die Packtasche total aufreisst...

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In Rumänien habe ich kein einziges Mal den internationalen Donau-Radweg noch Hinweisschilder darauf gesehen, in den Dörfern gibt es weder Strassenbeleuchtung, Kanalisation noch eine geregelte Müllentsorgung. Im Strassenverkehr sind die Leute recht rücksichtlos, hupen sich drängend durch die gelegentlichen Viehtriebe, machen sich offensichtlich einen Spass daraus die braven Pferdchen vor den archaischen Wagen zu erschrecken - habe sie mit den glatten Hufeisen oft auf dem Asphalt straucheln sehen. Nur die Fernfahrer nehme ich davon aus - die fahren wie immer sicher und gekonnt - wenn mich so ein Riesen-Brummi überholte hatte ich nie ungute Gefühle.

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