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Meine Kreise

von Burkhart Rüchel
(veröffentlicht 2014 im Magazin Streem, Ausgabe 1)

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Auch ich habe eine mit jeglicher Umsicht ausgestattete Behausung. Von außen ist sie nur durch einen einzigen Gang zu erreichen, der sich in immerwährenden, verengenden Kreisen meiner innersten Abgeschiedenheit nähert. Und nur ich kenne den geraden Weg für alle Fälle, zur unverzüglichen Flucht - immer eine Tür hinter der anderen, nur von außen zu öffnen, aber von innen dann mit einem Riegel zu sichern. Denn sollte jemand, und sei es bloß ein Neugieriger - die eigne Furcht überwindend - sich wirklich die Mühe machen und zu mir vorstoßen wollen und nicht nach Stunden eintönigen Kreisens sein Vorhaben vergessen haben, nicht wissend, ob er vor oder zurück will, vielleicht sogar vergessen hat, daß es überhaupt einen Ausgang je gegeben haben könne; sich vielleicht in der Mitte, in der Enge des Ganges einzurichten entschließt, so wird er mir als Wächter dienen und jeden weiteren Zudringlichen schon aus eigenstem Interesse ausdrücklich vertreiben. Sollte sich das aber alles nicht so gestalten und eben dieser erste Eindringling doch bis zu meinem innersten Versteck vordringen, so bleibt mir immer noch die wohlbewußte Flucht durch meine Türen.

Doch ist es nicht eigentlich, daß ich wirklich von der Existenz dieser Türen überzeugt bin; es gar eine mich betreffende beabsichtigte Irreführung darstellt, die mich in Sicherheit wähnen soll? Und wirklich - diese Legende entstand ja erst - und kann, wenn ich es richtig besehe, gar nicht überliefert worden sein, weil ich nie mit jemandem darüber auch nur ein einziges Wort wechselte, seit ich hier bin - ich sehe immer nur diese eine hoffnungsvolle Tür - die an der Wand des gegenüber liegenden, hierher führenden Ganges; und allein deshalb, ist meine überaus feste Überzeugung, müssen hinter dieser einzigen alle weiteren unzweifelhaft angeordnet sein.
Nachzuprüfen erlaubt mir meine große Furcht vor Eindringlingen nicht - es könnte ja sein, daß einer schon längst alle Kreise durchschritten hat und genau in dem Moment herbeikommt, in dem ich diese meine erste Tür öffne; auch kann es durchaus sein, daß er sich genau hinter meiner Tür für Dauer niedergelassen hat und mich als seinen Eindringling betrachten wird. So sitze ich also genau zwischen Gang und Tür, unfähig, mich zu einer Erkundigung zu entschließen.

Zuzeiten fürchte ich, daß sogar hinter jeder Tür einer von ihnen lauert (sie wissen ja nichts von ihrer gegenseitigen Existenz!). Der erste ist vielleicht durch Zufall bis zu meiner Zuflucht gelaufen, der Nächste bis zum zweiten inneren Kreis, der Dritte bis zum dritten, und so fort - oder aber der Erste wurde, als er versuchte, sich im ersten, äußersten Kreis - in Nähe der bei flüchtiger Betrachtung doch vorteilhaft scheinenden Öffnung - einzurichten, vom Zweiten in den nächsten verdrängt, Dieser wiederum vom Nächsten weiter, sodaß der Letzte immer die vor ihm Eingedrungenen vor sich herschiebt. Und so sitzen sie vielleicht schon alle Kreise füllend um mich herum - ein jeder zwischen zwei Türen - und es fehlt nur noch ein einziger Neuer, der den Ersten zu mir hereintreibt...

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© 2013 Burkhart Rüchel       Hauptseite