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Burkhart Rüchel

NAMIBIA
2015

arche-foto.com

Sieben Wochen mit dem Fahrrad unterwegs...

Seite V

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Einige historische Aufnahmen vom Waterberg:

                 

     

In der früheren Polizeistation befindet sich heute ein großes Restaurant. Die Wände sind mit historischen Fotos dekoriert.

         

Nach langer Suche im Gelände finde ich dann auch noch zwei Patronenhülsen. Hier focht um den 11. August 1904 die Abteilung Deimling. Die untere/linke Hülse ist markiert mit D 4/78 (hergestellt April 1878). Das Gewehr Mauser Modell 71 verwendet diese Munition (Kal. 11 mm). Die andere Hülse ist markiert mit "DM" (Deutsche Waffen- u. Munitionsfabrik Karlsruhe/Berlin) und "E" - hergestellt Dezember 1901.

   

Im Laufe des Nachmittags verlasse ich den Waterberg Plateau Park und wechsle zum 8 Kilometer weiter östlich gelegenen, von Joachim Rust privat betriebenen Platz - der Waterberg Wilderness Lodge. Der Damara Bernhard steht immer noch hier und bedient das gate - genau wie schon 2012 als ich mit dem Wagen durch fuhr, ich schenke ihm auch wieder eine Zigarette. Frage ihn wie er seine Lebenszeit nutzt, und ob er hier immer noch stehen wird wenn ich in Jahren wieder vorbeikomme?

 

In der Waterberg Wilderness Lodge baue ich mein Zelt auf Platz 3, bin auch hier erst der einzige Gast. Es gefällt mir so gut daß ich mich entschließe noch einen zweiten Tag zu bleiben.

Das Gelände ist mittlerweile mit einigen Hinweisschildern zur Geschichte versehen (wenn auch viele Angaben ungenau, teils sogar falsch sind) und so kann man sich auf ausgezeichneten Pfaden auf Spurensuche begeben. Das ist eine teils schöne Kraxelei über Stock und Stein, diese Wanderungen lohnen sich auf jeden Fall.

Dieser ursprünglich Otjosongombe benannte Platz am Waterberg wurde während der Gefechte am 11. August 1904 von der Abteilung Estorff, bestehend aus der 1. (Hauptmann Graf Solms), 2. und 4. Feldkompagnie (Hauptmann Epp) sowie der Maschinengewehr-Abteilung (Oberleutnant Graf Saurma), angegriffen. Die Herero unter Salatiel Kambazembi und Timotheus, unterstützt von den Kämpfern Samuels, zogen sich erst im Laufe des Nachmittags zurück.

Von Verwandten mütterlicherseits hatte ich die Transkription der Tagebücher eines Ahnen der von April 1904 bis April 1905 beim Herero-Aufstand als Luftschiffer mit Funkentelegraphie beschäftigt war bekommen. Da er sich vom 18. bis 21. Juni 1904 auch in Otjosondu aufhielt ist es sehr wahrscheinlich daß sich seine Wege mit denen eines anderen Verwandten väterlicherseits - dem Marine Oberassistenzarzt Dr. Franz Tiburtius, Sohn von Arzt und Schriftsteller Karl Tiburtius und seiner Frau Henriette Hirschfeld-Tiburtius (erste deutsche Zahnärztin), Neffe von Franziska Tiburtius (erste deutsche Ärztin) - unbekanntermaßen kreuzten. Franz Tiburtius war im Marine-Expeditionskorps dem Major Ludwig von Estorff unterstellt und starb im Feldlazarett Otjosondu im Alter von 28 Jahren am 5. Juli 1904 an Typhus (Kurzbiographie: Fritz Emunds: "Lebensdaten der auf dem Ehrenfelde D.-Südwestafrikas gebliebenen Offiziere 1904 - 1907", Kunstverlag Fritz Emunds, Trier a.d. Mosel 1907, Seite 97).

2012 fand ich hier schon zwei Patronenhülsen. Auch jetzt suche ich wieder das Gefechtsfeld ab und mache einige interessante Funde:


                               

Die Kartuschhülse ist gestempelt mit "Patronenfabrik Karlsruhe, Juli 1897". Die 5 Patronenhülsen auf dem letzten Bild tragen die Stempel: S 7/98, S 9/00, P 10/00, DM 12/00, S E 8/02 (Hersteller S = Königliche Munitionsfabrik Spandau, P = Polte Magdeburg, DM = Deutsche Waffen- u. Munitionsfabrik Karlsruhe/Berlin).

Im Gelände sind auch noch zwei Fundamente zu erkennen deren ursprüngliche Funktion bisher noch nicht ermittelt wurde:

   

Der Missionar Johannes Olpp (1870-1948) leitete ab 1890 die Otjimbingwer Missionsstation. Zu Beginn des Herero-Aufstandes 1904 konnte er zunächst Zacharias Zeraeua bewegen sich nicht zu beteiligen. Olpp betrieb 1906 hier in Otjosongombe ein Auffanglager für die umherziehenden, heimatlos gewordenen Herero und war ab 1908 Präses der Rheinischen Mission in Deutsch Südwestafrika.

Hier die Reste seines Hauses in Otjosongombe:

   

Einige morgendliche Landschafts-Aufnahmen:

                 

Nachmittags geht es quer durchs Buschland nach Okakarara. Der Wirtschaftsweg ist die ersten paar hundert Meter gut zu fahren, doch dann gibts nur noch tiefen Sand, es wird eine anstrengende Schieberei. So bin ich gar nicht böse als ein Farmauto hält und ich gefragt werde ob ich mitgenommen werden möchte. So sitze ich samt meinem Krempel hinten auf dem Pick Up zwischen den Arbeitern die auf dem Weg nach Hause sind. An einem großen Elektro-Zaun wartet ein anderer Wagen, die Männer klettern drüber, ich mit meinem Gepäck und Fahrrad hinterher. Dann gehts weiter, nacheinander springen die Arbeiter bei ihren Hütten ab, gegen 18.oo Uhr bin ich in Okakarara.

     

Okakarara:

© Burkhart RüchelNachdem ich in einem kleinen Laden einige Lebensmittel eingekauft hab setze ich mich kurz zu ein paar Leuten davor, will den Abend noch weiter. In der friedlichen Abendstimmung mache ich mit dem Telefon ein paar Ton- und Filmaufnahmen.

Nach einer Weile kommt ein Herero aus der Bar nebenan, fragt ob ich Afrikaans spreche. Als ich erwidere "klein bietjie", und auf die Frage nach meiner Herkunft mit "from Germany" antworte wird der Mann umgehend aggressiv, wirft mir immer lauter werdend vor 1904 hätten die Deutschen 80.000 Herero umgebracht und ihnen ihr Land gestohlen! © Burkhart RüchelAnfangs versuche ich noch sachlich zu argumentieren, doch gebe ich es schnell auf da ich gar nicht mehr zu Wort komme. Daß ich einfach ruhig sitzen bleibe scheint den Mann noch mehr auf die Palme zu bringen, wütend schreit er was von "Polizei", dann setzt er sich in seinen Wagen und fährt davon.

eine Nacht "in Schutzhaft"...

Es dauert nicht lange und der Herero kommt zurück, diesmal mit zwei Polizisten und einer erregten Menschenmenge. Man fordert mich auf mit zur Polizeistation zu kommen, werde dabei von mehreren Leuten fotografiert und gefilmt. Im Gedränge, beim Eintritt in die Wache prügelt der Mann auf mich ein! Sitze mit den Beamten dann hinter der Absperrung - während der Herero und die anderen davor bleiben müssen. Der Mann kann sich einfach nicht beruhigen, brüllt mehrfach daß er mich "killen" werde! Irgendwann reicht es mir und ich äußere mit der deutschen Botschaft telefonieren zu wollen (habe allerdings deren Nummer tief in einer meiner Packtaschen stecken). Später erscheinen zwei Polizeioffiziere die versuchen den Mann zu beruhigen, doch auch im Büro der Beamten schreit er nur herum, behauptet dreist ich hätte ihn provoziert. Ich selbst komme kaum dazu irgend etwas zu sagen, geschweige denn meine Version der Ereignisse vorzutragen, immer wenn ich mal etwas bemerken will heißt es "ich solle den Mann ausreden lassen"!
Erst nach Stunden schickt man die Leute nach Hause und mir wird angeboten die Nacht unter Polizeischutz in der Wache zu verbringen.

© Burkhart RüchelZum Schlafen komme ich allerdings nicht da nach Schichtwechsel die neue Besetzung anscheinend nicht informiert ist, ständig in die mir zugewiesene Kammer (Größe etwa 1 x 3 Meter) poltert. Das ist hier schon ein unwürdiger Zustand, ich werde angestarrt wie ein exotisches Tier. Eine Decke wird hereingeworfen, nehme sie allerdings nicht - hier ist es eh viel zu heiß drin. Habe nun genug Zeit mir über das Erlebte Gedanken zu machen. Stelle fest daß es keinen großen Unterschied macht vor einer (leeren) Gefängniszelle zu sitzen - oder darinnen. Sende meinem Schwager eine SMS damit man zu Hause weiß wo ich abgeblieben bin, was mir hier passiert, ebenso Mr. Kumundu in Otjimbingwe. Während dieser Herero weiter draußen sein Unwesen treibt, wahrscheinlich weiter die Leute aufhetzt bin ich hier quasi eingesperrt, möchte mir nicht vorstellen was mich erwartet wenn ich morgen vors Tor trete...

Gegen 2.oo Uhr höre ich in der Wachstube plötzlich Gewehr-Patronen aneinanderklingen, eine Waffe wird durchgeladen, die Tür aufgestoßen! Doch ist niemand zu sehen. Von den Neon-Deckenlampen stark geblendet schiebe ich, da weiter nichts passiert, nach einer Weile mit dem Fuß die Tür etwas ran, halb Drei erscheint eine Polizistin und fragt ob sie die Tür jetzt wieder schließen könne...
Danach kommt es in der Wachstube noch einmal zu einem lauten Tumult in dem schon wieder Morddrohungen geschrien werden!

8.oo Uhr erscheinen zwei höhere Polizeioffiziere. Mit Inspektor N. Amakali und Detective Warrant Mbango von der Criminal Investigation Unit geht es in das Hauptbüro der Dienststelle und ich komme endlich auch einmal dazu meine Erlebnisse vom Vorabend zu schildern. Mir wird angeboten mich nach Windhoek zurück zu bringen, doch was soll ich dort - möchte der Polizei hier auch unnötigen Aufwand und Kosten ersparen. Man bietet an den Herero solange zu inhaftieren bis ich sicher aus der Stadt sei. Zuletzt einigen wir uns darauf daß ich unter Polizeischutz den Ort verlasse und eine Strecke weit gefahren werde, jedoch niemanden über mein Reiseziel informieren soll.
Nun fragt man ob ich etwas dagegen hätte wenn man den Herero vorladen würde. Der Mann erscheint dann nach kurzer Zeit. Die Beamten sind sehr korrekt und professionell, lassen sich auch von der Gegenseite die Angelegenheit erläutern und versuchen die Sache zu entspannen. Der Herero breitet wieder ausgiebigst seine Geschichten aus, erzählt u.a. was von Wiedergutmachung an den Hereros. Darauf erwidert der Beamte das sei Sache der Regierungen und keine Angelegenheit von Privatpersonen, und daß da überhaupt noch gar nichts geklärt sei. Der Mann bestreitet natürlich auf mich eingeprügelt zu haben, doch einer der Polizisten vom Vorabend bestätigt als Zeuge einwandfrei die Vorwürfe. Man fragt ob ich Anzeige gegen den Herero erstatten möchte. Darin sehe ich allerdings gar keinen Sinn - das kostet nur weitere Zeit, Nerven und Geld, mir reicht daß die ganze Angelegenheit aktenkundig wird. Am Ende der Vernehmung ist der Mann ganz kleinlaut geworden, die Beamten schlagen vor daß wir einander die Hand geben. Das lehne ich jedoch kategorisch ab - so leicht lasse ich die Angelegenheit dann doch nicht beilegen, zumal ich noch genug Aggression (um nicht zu sagen Haß) in den Augen des Mannes glaube zu sehen, ihm nie den Rücken zuwenden möchte! © Burkhart Rüchel

Nach etwa zwei Stunden sind wir soweit fertig. Bestehe darauf mir noch Aktenzeichen sowie den Namen des Mannes zu geben der inzwischen entlassen ist: Ripanga Meroro. Die Beamten würden noch gerne in meine Packtaschen sehen - doch das lehne ich ebenfalls entschieden ab, schießlich läge gegen mich ja nichts vor.

Bald wird der Polizeiwagen der mich aus der Stadt bringen soll bereitgestellt und von zwei Männern gewaschen. Die betteln mich gleich an, fragen ob ich in Haft gewesen sei! So wird die Angelegenheit also draußen möglicherweise wahrgenommen. Der Herero lief ja frei herum - also werde ich wohl der Kriminelle gewesen sein!

Nun passiert lange nichts. Habe von dem ganzen Streß ziemliche Bauchschmerzen. Da ich seit gestern früh nichts gegessen habe erkundige ich mich nach einem Supermarkt, laufe die Hauptstraße zum anderen Ende der Stadt. Als ich zur Polizeistation zurück komme bedeutet man mir ich könne nun losfahren! Sieht so der versprochene Polizeischutz aus? Es kann nun jeder sehen auf welcher Route ich die Stadt verlasse. Erst am Ortsausgang hält neben mit der Polizeiwagen, das Fahrrad wird hinten eingeladen wo schon zwei recht kräftig gebaute Frauen sitzen. Steige ebenfalls in diesen "Hundefänger" und werde holter-dipolter 24 Kilometer auf der C22 Richtung Okandjatu gefahren (ursprünglich hatte ich in den Norden gewollt). Die durchwachte Nacht steckt mir natürlich ziemlich in den Knochen und ich werde wohl kaum weit kommen heute.

Meine Damara-Freunde in Otjimbingwe hatten mich ja mehrfach gewarnt als sie hörten ich wolle zum Waterberg, meinten: "Die Herero wären nicht mehr gut...", und ich solle lieber bei weißen Farmern übernachten - doch ich wollte es ja nicht glauben. Die nächste Zeit werde ich also die Städte meiden, mich wieder mehr in die Wildnis begeben und draußen im Busch schlafen. Die Lust mich auf neue Bekanntschaften einzulassen ist mir erstmal gründlich vergangen und ich sehe zu aus Hereroland heraus zu kommen...

Unter einem großen Baum halte ich lange Siesta, versuche bei der Hitze etwas zu ruhen. Eine Herde Schafe kreuzt die Straße, ein Köter kommt angerannt. In Okahitua geht die D3801 ab. Die Gegend ist recht dicht besiedelt, das ist hier nicht Resettlement sondern schon lange kommunales Land. An einer Straßenecke ein kleiner Shop, unter einem Baum spielen 4 Herero die namibische Variante von "Mensch ärgere Dich nicht". Als ich zum Wasserhahn will sagt man mir daß es einen kleinen Waschraum gibt - da ist sogar eine Dusche drin und ich kann mich einmal wieder richtig frisch machen, auch das Hemd durchspülen das ich gleich nass wieder anziehe. Später Owitatu, außer dem Ortsschild nur 3-4 verschlafene Hütten. Was mir fehlt ist Schlaf...

Die gravel-road C22 hat festen Untergrund, ist jedoch sehr uneben und so ist es ein mächtiges Geschüttel. In einem anderen Laden spreche ich mit dem lokalen Headman der gutes Deutsch spricht, ebenso mit einem Dennis der als Tourguide tätig ist, jetzt nach Okakarara unterwegs um Futter zu kaufen. Dennis Kenatjizeu lädt mich ein ihn in Okozonduzu zu besuchen, ich könne auch bei ihm nächtigen. Leider finde ich ihn dann in dem Ort nicht, jeder der 3 Leute die ich treffe und frage schickt mich in eine andere Richtung und ich quäle mich einige Sandwege lang. So ziehe ich bald weiter - zumal es nicht einmal einen offenen Laden gibt. Immerhin finde ich einen Wasserhahn.
Später hält ein Wagen und es ergibt sich wieder ein netter Kontakt - Chris Maiseuanaani arbeitet für die Windhoeker Stadtverwaltung. Danach spreche ich Klaus Diekmann an der auf der Suche nach seinen Ziegen ist - mit ihm führe ich ein kleines Interview. Seine große Familie ist seit 1907 im Lande, leider habe ich die Diekmanns am Waterberg nicht aufgesucht - das bleibt dann fürs nächste Mal...
Ein klappriger VW-Bus, voll mit Leuten, hält neben mir, anscheinend einer der Kleinbusse die hier verkehren. Der Fahrer lädt mich ebenfalls ein ihn zu besuchen, und ich könne dort übernachten. Doch ist mir die Sache nicht recht geheuer, zumal er munter "Savanna Dry" trinkt. Das nächste Dörfchen: Okatjavev. Im nächsten Örtchen ein kleiner Laden, da tönt diese typische, laute Musik raus. Eine Menge Leute davor, einige Frauen schon ziemlich angeheitert, die Betreiberin mit Bierflasche in der Hand. Einen cooldrink gibt es nicht, angeblich nur warmes Bier. Als ich das will: sie haben kein Bier, weil keine Lizenz. Was sie denn anderes hätten: ich könne Cola kriegen. Doch auch Cola gibt es nicht...
Dann ist es nicht mehr weit bis Okandjatu, doch am frühen Abend mag ich da nicht mehr rein fahren, hab keine Lust auf neue angetrunkene, vielleicht aggressive Leute. So schlage ich mich lieber hier in die Büsche und komme morgen früh in den Ort.

© Burkhart RüchelIn Okandjatu teile ich dann wie abgesprochen Inspektor Amakali telefonisch mit daß ich sicher angekommen bin, bedanke mich noch einmal für die Hilfe und wünsche ihm einen schönen Tag. Der kleine Ort macht keinen vertrauenerweckenden Eindruck, ist wenig einladend. Müll überall, Berge zerschlagenen Glases, streunende Hunde und mißtrauische Blicke. Unter freiem Himmel einige Garküchen wo es in Töpfen undefiniert brodelt. Jede Menge Bars gibt es, zum Glück auch wenige Läden und ich kann mich mit Lebensmitteln eindecken. Welchen Beschäftigungen die Menschen hier nachgehen ist nicht ersichtlich. Als ich eine Büchse Bohnen esse werde ich von einem Mann angesprochen, als er merkt daß ich Deutscher bin beginnt er ein recht gutes Deutsch zu sprechen und wir unterhalten uns eine ganze Weile, er übersetzt das Gespräch für andere die dazu kommen. Gerson hat einige eindrucksvolle Narben, als ich ihn darauf anspreche erzählt er daß er mal einen Auto-Unfall mit einem Kudu hatte! Auch Gabriel kann gut Deutsch, ebenso ein hiesiger Lehrer (mit unausprechlichem Namen) und so ist das hier doch noch eine nette Begegnung.
© Burkhart RüchelIm letzten Shop will ich noch etwas Milch kaufen da kommen drei junge, gut gekleidete Männer herein, einer hat das Problem daß ihm niemand seine Krawatte binden kann! Der Mann im Laden probiert es eine ganze Weile, dann versuche ich zu helfen - doch ebenfalls erfolglos. Als draußen ein Wagen hupt müssen sie los.

Das nächste Dorf: Okahitanda. Die Straße wird stark ausgebaut, ist "under construction". Das hat sie bitter nötig, komme nur mit nicht viel mehr als Schrittgeschwindigkeit voran. Dann habe ich hinten wieder einmal einen Platten. Sehe unterwegs die erste Schlange meiner Tour als sie sich langsam über die Pad windet - sie erschreckt sich genauso wie ich. Vielleicht einen Meter lang, beigefarben und leicht grünlich - eine Puffotter?

Hier sind viele Baufahrzeuge unterwegs die Sand und Kies transportieren, mittlerweile grüßen einige wenn sie wieder einmal vorbei kommen. Manche nehmen sogar das Gas weg und schalten runter, fahren langsamer - damit sie nicht soviel Staub aufwirbeln den ich schlucken muß! Nach vielen Kilometer auf dieser schlechten Gravelroad gibt mir einer der Fahrer ein Zeichen: ich solle doch auf der neuen, gerade im Bau befindlichen, noch für den Verkehr gesperrten Straße fahren. Dort ist dann schöner, frisch festgewalzter Belag und nun fährt es sich deutlich besser.

 

Nächster Ort: Ehungiro. Ob es hier einen Laden gibt? Raste dann gleich am Ortseingang im Schatten, esse ich weiß nicht die wievielte Büchse "baked beans in tomato sauce". Brot gibt es ja in diesen kleinen shops sehr selten, bin froh wenn sie mal Zwiebeln oder Äpfel im Angebot haben.
Hier laufen schon am Nachmittag Leute rum die offensichtlich bereits angetrunken sind. Einer kommt angewankt, den Flachmann in der Hand aus dem das für ihn teure Naß spritzt. Der Mann setzt sich zu mir, fragt woher ich komme, will eine Zigarette. Hatte mir im Laden gerade eine für 3 Dollar geholt, gebe dem Mann also 3 Dollar damit er sich auch eine kaufen kann. Nun verlangt er allerdings gleich 5 Dollar. Halte die Hand auf, er gibt die Münzen zurück - und ich stecke das Geld kommentarlos wieder ein. Plötzlich bin ich "sein Freund aus Deutschland". Na, bevor es gänzlich unangenehm wird schüttle ich den Staub hier von meinen Füßen. Kam noch nicht mal dazu meine Zigarette aufzurauchen.
Als am Abend eine große, dunkle Gewitterfront droht schlage ich schnell entschlossen im Busch neben der Straße mein Zelt auf, es beginnt auch gleich bei heftigem Wind ein kräftiger Regen.

An der Straße sind alle paar Kilometer eingezäunte Wasserreservoirs angelegt aus denen die Baufahrzeuge Wasser tanken, es steht auch immer ein Aggregat und Pumpen daneben. Schilder weisen "kein Trinkwasser" und "no swimming" aus. Als ich trotzdem auf eines zustapfe kommt aus einem daneben befindlichen Lager ein Arbeiter der mir irgendwas zuruft - ich zeige daß ich nur meine Hände waschen möchte, das ist dann OK. Nachdem ich mich etwas frisch gemacht habe winke ich zu dem Mann herüber und bedanke mich. Habe heute leichten Gegenwind und fahre anfangs mit freiem Oberkörper.
Nächster Ort: Otjikova, ab hier hat die Straße einen Asphalt-Belag. Nun geht es flott voran und ich wundere mich nur über diesen ganzen Ausbau der C22. Hier ist nämlich so gut wie gar kein Verkehr, von den Baufahrzeugen einmal abgesehen!

Otjinene:

Die Stadt ist inzwischen wesentlich sauberer geworden, allerdings fließen üble Abwässer an vielen Teilen der Hauptstraße entlang. Für Zucker der in Namibia in Unmengen konsumiert wird braucht man keine Werbung machen, ebensowenig für Bier. Vor einem Laden kommen mir schon wieder die ersten Betrunkenen entgegen geschwankt, wollen mich vollquatschen, ich schwinge mich wieder aufs Rad und suche einen anderen. Kaufe dann im Supermarkt nahe der Tankstelle (die macht einen desolaten Eindruck und scheint nicht mehr in Betrieb zu sein) die üblichen Gemüse-Büchsen, das Angebot ist sehr dürftig, nicht mal Brot gibts. Versuche lange vergeblich im Ort einen Wasserhahn zu finden um meine Flaschen zu füllen. Der auf dem Gelände der Klinik ist mit einem dicken Schloss versperrt. Nicht einmal im Haus der Farmer-Vereinigung ist einer, dafür stelle ich fest wie arg heruntergekommen das Gebäude ist. Zuletzt finde ich auf dem Hof der zweiten Primary School einen funktionierenden Wasserhahn.

       

Am südlichen Ortsausgang kehre ich in das Restaurant "Take Away - Katjikuru" ein das sich in einem braun-weiß gestrichenen Gebäude-Komplex befindet - hätte ich das doch lieber gelassen...

© Burkhart RüchelDie Chinesen engagieren sich ja in Namibia sehr stark, überhaupt in Afrika, verfolgen seit langem ihre geostrategischen Ziele. Sie sind nicht nur im Straßen- oder Bahnbau sehr aktiv (schon die Römer bauten überall Straßen um ihr Weltreich besser verwalten zu können - diese nutzten dann allerdings auch die Feinde Roms zu dessen Eroberung) sondern unter anderem auch bei Erwerb und Ausbeutung von Rohstoffen. Die werden wohl auch noch die Erfahrung machen daß die Afrikaner sich am liebsten alles schenken lassen. Oder werden etwa die Chinesen noch mit deutschen Steuergeldern bezahlt? (Namibia erhält jährlich zig Millionen Euro "Entwicklungshilfe" - genaue Zahlen konnte ich bisher nicht ermitteln.)
Es wird gemunkelt daß China in Walvis Bay einen Militärhafen errichtet. Wollen die sich etwa im Atlantik mit den Amis anlegen?
Überhaupt sind die Chinesen nicht sehr beliebt hier, weder bei Weißen noch bei bei Schwarzen. Es kommt einem vor wie eine neue Kolonialisierung Afrikas...

Bis Gobabis sollen es 163 Kilometer sein! Und das mit nur 3 Büchsen Gemüse, hoffentlich gibt es unterwegs nochmal einen Laden. Habe schon wieder starken Gegenwind, quäle mich erst im dritten, dann bereits im zweiten Gang gegen an. Immerhin gibt es viele Wolken und somit öfter Schatten. Außer im Süden sehe ich überall Regenstreifen.

© Burkhart RüchelNeben der Straße ein Maisfeld und ich pflücke ein paar kleine, zarte Kolben - brauche dringend ein paar Vitamine. Bei der Einfahrt zur Farm Nr. 676 überlege ich kurz, biege dann ab und klingle bei R. W. Derks auf "Mooidraai" ("Schöne Ecke"). Hier frage ich den Farmer Rudolf ob ich auf dem Gelände mit meinem Zelt für eine Nacht campieren darf. Das wird jedoch abgelehnt und ich soll lieber in einem freien, schönen Zimmer, einem der ehemaligen Kinderzimmer, schlafen! Werde zum Abendbrot eingeladen und wir sitzen den Abend noch lange zusammen. Farmerin Anna war 1995 mit zwölf kleinen 8-10jährigen Buschmann-Mädchen zur internationalen "10th World Gymnaestrada" in Berlin, ich sehe mir sehr interessiert das Fotoalbum an. Erfahre vieles über die Verhältnisse im Lande und über die Farm (900 Rinder), ich glaube 12.ooo Hektar - ein stattlicher Betrieb. Es ist wohl der heißeste Sommer seit 45 Jahren! Man rechnet überhaupt mit einem sehr trockenen Jahr, die Regenzeit setzte erst sehr spät ein. Schon im letzten ist den meisten Farmern aufgrund schlechter Erträge die Grundsteuer erlassen worden, so entgingen der Staatskasse natürlich nicht unbedeutende Einnahmen.
Kann später in einer Schüssel meine Sachen waschen, alle Akkus laden, genieße eine heiße Dusche sowie nach langer Zeit endlich einmal wieder ein richtiges Bett!

Morgens lerne ich auch ihren Sohn Hugo kennen. Zum Frühstück gibts neben anderem ein sehr leckeres Omelett. Als ich erwähne daß ich 2012 auch Wilfried und Anke Metzger kennenlernte schlägt Anna vor daß ich mit ihnen doch mal telefonieren könne. Die Nummer wird heraus gesucht und ich spreche mit Anke eine Weile, erfahre was es dort neues gibt.
Zum Abschied umarmt mich Anna sogar. Mit so einer herzlichen Aufnahme hatte ich hier überhaupt nicht gerechnet!

Ab 9.oo Uhr bin ich dann wieder auf Pad, leider schon wieder mit Gegenwind.

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